Interview mit Arild Andersen

Feine Klangsprache, famose Energie
Ein Interview mit dem norwegischen Bassisten Arild Andersen

Gute Nachrichten für die Braunschweiger Jazzfreunde! Nach Dave Holland im letzten Jahr kommt wiederum ein herausragender Jazzbassist ins Braunschweiger LOT-Theater: der Norweger Arild Andersen mit seinem Trio. Klaus Gohlke telefonierte mit dem in Oslo lebenden Bassisten.

Arild, du bist jetzt einundsiebzig Jahre alt. Immer noch die große Lust auf Tour zu gehen?

Ja, durchaus. Konzerte spielen ist etwas Unersetzbares im Leben. Nur die Flughafen-Checkerei nervt immer mehr, zumal mit dem dicken Instrument.

Warum spielst du nicht den handlicheren E-Bass?

Ich hab das ja auch eine Zeitlang gemacht. Aber dann hörte ich Jaco Pastorius (einer der einflussreichsten E-Bassisten, der das Bass-Spiel musikalisch revolutionierte. K.G.). Seine Technik auf dem Instrument war überwältigend, unerreichbar. Also konzentrierte ich mich auf den Kontrabass. Jacos musikalisches Verständnis aber, was die Rolle des Basses im Zusammenspiel betrifft, sein melodisches Verständnis, das teile ich voll und ganz.

Du hast mit den ganz Großen des US-amerikanischen Jazz zusammengespielt. Du wolltest aber nicht wie etwa Dave Holland in New York bleiben.

Es gibt einen großen Unterschied zwischen amerikanischem und europäischem Jazzmusizieren. In Amerika ist die Band in der Regel um einen Star, der der Boss ist, geschart. Top-Down. Ich habe ja gelernt bei den Großen des amerikanischen Jazz: Sonny Rollins, Dexter Gordon, Chick Corea. Wenn du mit Dexter auf der Bühne standest, rief er plötzlich mitten im Song: „Next „Cherokee“ und dann musstest du das drauf haben, keine Absprache vorher, er war der Boss. Der europäische Jazz zeichnet sich durch ein demokratischeres, gleichberechtigteres Zusammenspiel aus. Es ist ein gemeinsames Herausarbeiten musikalischer Ideen, die eine klangliche Identität einer Band entstehen lässt. Die Basis des amerikanischen Jazz ist der Blues. Hier in Europa spielen darüber hinaus immer mehr eigene musikalische Traditionen eine Rolle, aber auch die zeitgenössische Kunstmusik.

Bei norwegischem Jazz denken viele Jazzfreunde an einen speziellen skandinavischen Sound: Klare, kühle Töne, die Landschaftsbilder evozieren, sehr melodiös.

Du meinst diesen spacigen Sound mit viel Reverb, also den Jan Garbarek-Klang der 70er Jahre? Das war eine Zeitlang sehr angesagt. Damit habe ich es nicht so sehr. Ich knüpfe an am traditionellen Jazz. Aber ich bin beeinflusst sowohl von der schönen Schlichtheit der norwegischen Folklore, wie ich auch zurückgreife auf die Abstraktionen zeitgenössischer Neuer Musik. Ich habe ja auch spirituelle Musik geschrieben und Film-und Theatermusiken.

Wenn du auf deine Jazzgeschichte blickst: gibt es da einschneidende Veränderungen?

Durchaus. Zwei zentrale Einschnitte sehe ich. Miles Davis‘ Album „Bitches Brew“ war der Bruch schlechthin. Weg von aller Swing-Ästhetik. Dafür elektrischer Jazz-Rock. Rhythmisch völlig anders gedacht, eine eigenartige Offenheit. Die andere zentrale Veränderung ist die jetzt gängige Verwendung ungerader Rhythmen. Das gab es auch schon früher, etwa bei Brubeck. Aber jetzt sind die komplexen Rhythmen nahezu üblich. Mich interessiert das nicht so sehr.

Wo warst du eigentlich musikalisch als junger Mann, damals als es z.B. die Stones- und Beatles-Debatten bei den Fans gab?

Beatles? Wunderbare Melodien. Und die Rolling Stones habe ich auch im Konzert kennengelernt. Aber erst viel später. Was Gitarrenmusik angeht, so fand ich Charlie Christian stark. Ansonsten Miles Davis, Herbie Hancock. Den Bassisten Gary Peacock oder Stan Getz am Saxofon. Ich war also etwas anders orientiert als die meisten Jugendlichen damals.

Was können wir dann bei deinem Konzert in Braunschweig erwarten?

Eine sehr abwechslungsreiche, durchaus auch melodische Musik. Eine feine Klangsprache, famose Energie und ab und an Herzschmerz.

Klaus Gohlke