Interview mit Joachim Kühn

„Grenzüberschreitung – das ist es!“

Joachim Kühn ist so etwas wie der Doyen des deutschen Jazzpianospiels. Am Sonntagabend tritt er mit seinem Trio „Chalaba“ im Braunschweiger LOT-Theater auf. Aus diesem Anlass befragte ihn unser Mitarbeiter Klaus Gohlke telefonisch in seinem Wohnort Ibiza.

KG. Herr Kühn, seit den frühen 70er Jahren treten Sie immer wieder in Braunschweig auf. Was ist das Besondere an dieser Stadt?

JK. Ja, stimmt. Interessant. Das hab ich sonst nur mit Paris oder mit New York. Das Braunschweiger Publikum ist sehr interessiert. Und dann ist die Zusammenarbeit mit dem Team der „Initiative Jazz Braunschweig“ hervorragend.

KG. Sie haben mit allen Größen des Jazz zusammengespielt. Hatten Sie irgendwann so etwas wie die ideale Band?

JK. Eine schwierige Frage. Da waren immer Highlights. Ornette Coleman z.B. Aber – doch: das Trio mit Daniel Humair und J.F. Jenny Clark. Wir waren auch in Braunschweig im Städtischen Museum. Schwierige Akustik, aber toll. Wir drei verstanden uns blind, hatten großartige musikalische Ideen, tolles Zusammenspiel auf höchstem Niveau.

KG. Sie sind gerade 70 Jahre alt geworden. Gibt es noch so etwas wie musikalische Wunschträume?

JK. Nein, Träume nicht. Was ich noch will, muss ich jetzt machen. Was mich umtreibt, ist, den Jazz zu öffnen für andere musikalische Kulturen. Deshalb das Trio „Chalaba“, das am Sonntagabend in Braunschweig spielt. Die Verschmelzung marokkanischer Melodien und afrikanischer komplexer Rhythmen mit dem, was wir modernen Jazz nennen. Also Grenzüberschreitung. Das interessiert mich, da lerne ich immer noch dazu.

KG. Ist unsere Art Jazzkonzerte zu hören, als säßen wir im Kammermusiksaal, nicht eigenartig körperlos?

JK. Da ist was dran. Ich hätte nichts dagegen, wenn die Leute aufsprängen und lostanzten. Sie könnten auch schreien, wenn ihnen danach wäre. Sollte man vielleicht mal ansagen. Nein, Jazz ist nicht nur Kopf, sondern auch Körper.

KG. Wie bekommen wir junge Menschen in die Jazzkonzerte?

JK. Das weiß ich auch nicht. Bei den Festivals, da sind alle Altersgruppen dabei. Aber in den Einzelkonzerten: Fehlanzeige. Es fehlt vielleicht an Lockerheit. Oder so ein Unterhaltungselement. Aber auf Unterhaltungsmusik – Niveau begebe ich mich nicht. Vielleicht kommt das mal wieder anders. Vielleicht schon am Sonntag in Braunschweig.

Braunschweiger Zeitung, 25. 09. 2014