Kritik zu “Uli Beckerhoff Quartett plus special guest: Otto Wolters”

Alte Hasen und junge Wilde
Das Uli Beckerhoff-Quartett und der Braunschweiger Jazz-Pianist Otto Wolters
als „Special Guest“ begeistern ihre Fans

Der Uli beschenkt den Otto und der Otto den Uli. Beide beschenken das Publikum und das beschenkt wiederum die beiden. Gelungene Weihnachten unter Jazzern, wobei der Uli das Ulrich Beckerhoff Quartett meint. Und der Otto ist der Braunschweiger Jazzpianist, den man gerne „Urgestein“ nennt, dabei ist er alles andere als Gestein, und ob er „Ur“ ist, soll beantworten, wer meint, es zu können. Ja, und das Publikum, das waren alle im ausverkauften Roten Saal des Braunschweiger Schlosses am Freitagabend, die dem Modern- Jazz-Konzert des Quartetts, für zwei Songs um Special Guest Otto Wolters erweitert, mit Sympathie und Vergnügen lauschten.

Ausverkauft- warum eigentlich? Nun, Otto Wolters hat viele Freunde in der Region, die wissen, dass er seiner Berufung, dem Jazz, immer noch mit Anspruch nachgeht. Und auch der Trompeten-Professor Uli Beckerhoff hat viele Anhänger hier. Einmal seiner Musik, seines ausgezeichneten Trompetenklangs wegen, aber auch, weil er mit Otto Wolters durch etliche gemeinsame Konzerte hier in Braunschweig schon als eine Art mystische Jazz-Einheit gilt.
Buddies, die für Jazz auf höchstem Niveau stehen. Eine innige Melange also aus persönlichem und allgemeinem Interesse auf allen Seiten.

Dabei war die Musik nicht unbedingt von einschmeichelnder Qualität. Sie war vielmehr bewusst anspruchsvoll, von gewissermaßen quer liegendem Charme. Durchaus Wohlklingendes wurde jäh mittels furioser Trompetenstöße oder -läufe in dissonantes Gestrüpp verwandelt. Unvermittelt wurden durch krassen Rhythmuswechsel lang durchgehaltene ostinate Bass-Passagen aufgebrochen ( „Capo d’Orlando“) und später wieder fortgeführt. „Heroes“ ließ merkwürdigerweise Erinnerungen an Miles Davis‘ frühe Elektrik-Phase, den Druck der Rhythmus-Gruppe vor allem, aufkommen. Soundlandschaften ließen sich erahnen, die nach schöner Entfaltung zerstört wurden. In „Tango Tragico“ zeigte diese musikalische Konzeption – man könnte sie „Änderung der Fahrtrichtung durch absichtliche Entgleisung“ nennen – recht humorvolle Züge. Ironischer Umgang mit dem typischen Tango-Rhythmus, melodische Verschleifungen, Stimmungswechsel zwischen überbordender Dramatik und Understatement ließen das Bild eines nicht ganz elegant ablaufenden Tanzabends aufkommen.

Das Quartett sorgte aber auch schon deshalb für Interesse, weil sich Beckerhoff als 70jähriger „alter Hase“ mit drei ‘“jungen Wilden“ umgab, nämlich Richard Brenner (Piano), Moritz Götzen (Bass) und Niklas Walter (Schlagzeug). Der Meister ließ ihnen völlig uneitel viel Raum, ihre musikalische Kompetenz zu entfalten. Und die war angenehm fern irgendwelcher Sturm- und-Drang-Kraftmeierei.

Aber – Anspruch und Konzept hin oder her: manchmal hätte man einfach Lust gehabt, sich musikalisch fallen zu lassen, sich mal richtig einem Groove hinzugeben. Aber vielleicht war das ja nur ein schwächelndes Begehren, das sich angesichts des unabwendbaren Weihnachtsgedudels draußen einstellte. Lang anhaltender Beifall.

Klaus Gohlke

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