Otto Wolters – eine Würdigung

Jazz als Lebensgefühl

Der Braunschweiger Jazz-Piano-Lehrer Otto Wolters begeht seinen 80.Geburtstag

Man nennt ihn eine Braunschweiger Institution, gerne auch Urgestein. Manche reden ihn mit „Herr Wolters“ an, andere sprechen von Piano Wolters. Meist aber Otto, Jazz-Otto. Otto Wolters hat Geburtstag, den 80. Da wird festlich gesprochen und geschrieben. Otto zieht die Augenbrauen hoch und meint: „Wenn man für sein Lebenswerk gewürdigt wird, dann ist man ja doch ziemlich alt. Das ist Abschluss, viel Blick nach vorn ist da nicht. Also eher Anlass zu Melancholie – oder?“

Wo er Recht hat, hat er Recht. Aber doch: Einspruch. Melancholie ja, aber nicht etwa Traurigkeit. Das wäre nun absolut nicht angesagt zu so einem Ehrentag. Eher ein Blick zurück voller Zufriedenheit, auch Stolz, wenn man das Wort noch mag. Darüber oder darunter freilich eine gewisse Patina, eine Eintrübung, da muss man nicht drum herum reden.

Otto Wolters hat den Jazz in Braunschweig heimisch gemacht. Einmal als Praktiker mit seinem Trio. Dann aber als Mitbegründer der Braunschweiger Musikerinitiative. Die Großen der improvisierten Musik lockte er mit seinem Team nach Braunschweig. Pat Metheny etwa, Shooting Star aus den USA. Die Avantgarde aus Deutschland: Albert Mangelsdorff, Joachim Kühn. „Jazz im Lindenhof“ wurde kreiert, kein Braunschweiger „Village Vanguard“, aber durchaus Kult. Und legendär das „Nachglühen“ bei den Sessions nach den Konzerten. Bei Bolle in der Bassgeige.

Ein Quantensprung dann 1985. An der Städtischen Musikschule Braunschweig konnte man wohl Klavierunterricht nehmen. Aber nur “klassisch“, wie man so sagt. Otto konnte klassisch, aber eben viel lieber jazzig. „Die damalige Musikschulleitung hat weitsichtig erkannt, dass es gut wäre, Otto Wolters Jazz-Klavier unterrichten zu lassen und eröffnete einen entsprechenden Studiengang. Die erste ganze Stelle dafür in Niedersachsen!“, wie Wolters‘ Kollege, Jürgen Niemann, zu berichten weiß. „Beinahe zwanzig Jahre war er Lehrer an unserer Musikschule. Ein ausgesprochen beliebter Lehrer sowohl im Kollegium als auch bei den Lernenden!“, urteilt Kulturamtsleiterin Frau Dr. Anja Hesse.

Man könnte nun Vieles aufzählen. Wo Otto Wolters wann mit wem spielte, regional, national, international. Natürlich sollte nicht unerwähnt bleiben, dass er für das Goethe-Institut unterwegs war. Mit Hans-Christian Wille zusammen das Crossover-Projekt „Jazz&Klassik“ veranstaltete, Schallplatten einspielte und vieles andere mehr für den Jazz und als Jazzer tat.

Seine ehemaligen Schülerinnen und Schüler, heute gestandene Musiker und Stadt-, in zwei Fällen sogar dem Jazz-Erdkreis bekannt, erwähnen das alles nicht. Anderes ist für sie erwähnenswert, wie ein Rundruf ergab.

Hans Christian Hasse, Piano-Dozent an der TU Braunschweig, hebt Wolters‘ Ansehen, seine Beliebtheit und vor allem seine pädagogische Erfahrung hervor. Was unser „Piano-Doc“ Jan Behrens mit dem Satz „Er hat mich durch meine pubertäre Faulheit hin zu einem absolvierten Jazzklavierstudium gebracht!“ veranschaulicht. Ulrike Moormann, praktizierende Jazzerin, die erst spät bei Wolters den musikalischen Feinschliff erarbeite, empfand zunächst „Bewunderung und Respekt vor dieser großen Persönlichkeit“, vermutete eine gewisse Unnahbarkeit. Um dann festzustellen: „Nach der ersten Stunde war mir allerdings klar: ein ganz normaler Mensch im wahren positiven Sinn!“ Auch Jazz-Ini-Kollege Thomas Geese hebt diesen Zug hervor und unterstreicht: „Otto holte sachlich und besonnen die idealistischen Enthusiasten immer wieder auf der Boden der Realität zurück.“

Wesentlich an Otto Wolters‘ Pianounterricht muss dabei wohl gewesen sein, dass er eben nicht nur Jazz staubtrocken und schematisch lehrte, sondern undogmatisch vorging. Sven Waida, Braunschweiger Jazzer und Liederbuch-Autor betont: “Er ging auf mich in meiner Art ein und gab meiner Kreativität Entfaltungsmöglichkeiten!“ Was unser Allround-Talent Jan-Heie Erchinger mit einem anderen Detail würzt: „Er hat mich gleichzeitig mit abgefahrenen Geschichten aus der real existierenden Jazzmusiker-Welt inspiriert.“

Aber es müssen nicht immer Pianisten aus Wolters‘ Jazzlehre hervorgegangen sein. Der Groß-Schwülperaner Nils Wogram ist mittlerweile einer der bekanntesten Jazzposaunisten weltweit. Ihm hat Wolters die wichtigsten Akkorde, die Voicings, vermittelt. Wogram resumiert: „Musiker wie Otto Wolters sind Gold wert für die Szene. Er konnte wirklich vermitteln, wie Jazz gespielt werden muss und was es bedeutet, Jazzmusiker zu sein, für den Jazz zu leben. Dieses Gefühl hat mich beflügelt und mir geholfen, meinen Weg einzuschlagen!“

Kann man Besseres von Schülerinnen und Schülern hören? Wohl kaum. Man möchte zurufen: „Otto, weg mit den dunklen Seiten der Melancholie. Auch wenn eine schwere Erkrankung dich plötzlich aus der Bahn warf: Lass dich feiern, du hast allen Grund dazu!“

Klaus Gohlke

Am 24.November 2018 20 Uhr werden Braunschweiger Jazzmusikerinnen und -musiker ein Otto-Wolters-Jubilee-Concert im Roten Saal des Schlosses spielen.