Kritik zu Jazz im Park

Eine echte Erfolgsgeschichte

Die „ Braunschweigische Landschaft e.V.“ präsentiert zum achten Mal das Festival „Jazz im Park“

Es hat etwas Unwirkliches. Ungefähr 500 Menschen lagern auf Rasenflächen vor einer Bühne. Eingerahmt von eindrucksvollen alten Wirtschaftsgebäuden und zugehörigem Herrenhaus einer Kloster- und Rittergutsanlage, von Teich- und Bachlandschaften, imposanten Bäumen und weiten Weideflächen. Still lauschen sie den Klängen eines Pianisten.

Der Wunschtraum des Loriot’schen Hermann geht hier in Erfüllung: „Ich möchte hier nur sitzen!“ Nicht Spazierengehen, kein Reden, keine Illustrierte, nichts Müssen. Nur Hier und Jetzt. Etwas Vogelgezwitscher, Kühe im Hintergrund. So etwas wie interesseloses Wohlgefallen an schöner Umgebung und Musik, die weder beißt, noch platt ist. Vom Harz her drohen Gewitterwände. Das einzig Beunruhigende.

Nahezu surreal in diesen Zeiten permanenter Anspannung, von Äußerungsübermaß und Dauergereiztheit. Der Anlass? „Jazz im Park“. Diesmal im Landschaftspark des Rittergutes Dorstadt.

„Ein tolles Konzept des Vereins Braunschweigische Landschaft! Die achte Veranstaltung schon. Sie sollte schon letztes Jahr hier stattfinden, aber, nun ja. Gecancelt wegen des Virus“, wie Klaus Hermann, Organisator des Festivals, zu berichten weiß. Diese Kleinodien unserer Region, die Rittergüter und Schlösser mit ihren Parkanlagen zugänglich zu machen über ein relaxtes musikalisches Event, das ist eine großartige Idee und in der Tat eine Erfolgsgeschichte.

Das Geheimnis dahinter? Nun, es geht nicht um Jazz, nicht um Parks – es geht um Jazz im Park. Der Zusammenklang von eindrucksvollem Ambiente, guter Unterhaltung und perfekten Rahmenbedingungen macht’s. Hervorragend organisiert von der Feuerwehr, DRK und vielen Helfern unter der Ägide der „Braunschweigischen Landschaft“ und dem Team des Schlossherrn Konstantin von Löbbecke, der kurz über die historischen Hintergründe der Anlage berichtet.

Genauso durchdacht und gut organisiert der musikalische Rahmen. „Jazz ohne Zahnschmerzen!“ wurde im Vorhinein etwas platt angekündigt. Mitnichten aber wurde Weichgespültes geboten. Jan-Heie Erchinger, musikalischer Leiter des Festivals, machte das gleich als Opener mit seinem Piano-Solo-Auftritt klar. Keine Zufallsimprovisationen. Vielmehr ein Stilmix aus Blues, Rag, Swing, Standards-Zitaten, der immer wieder leitmotivisch durchzogen wurde von Pete Seegers Antikriegslied „Where have all the flowers gone“. Eine beziehungsreiche Idee.
Das Braunschweiger Laokoon-Quintett spielte ein anspruchsvolles Porträt der Jazz-Ikone Miles Davis. Eine absolut gelungene Würdigung der Jazz-Ikone, die hier einmal ein größeres Auditorium fand.
Und auch das Hannoveraner Chiara Raimondi Quintett war kein Eays-Listening-Act. Sinnreich und spannend präsentierte die hervorragend eingespielte Band der stimmlich eindrucksvollen italienischen Sängerin Modern Jazz mit folkloristischen Elementen.
Géza Gál’s Jazz Affair bildete dann einen schönen Abschluss des Parkkonzertes, insofern gekonnt populärere Songs zelebriert wurden. Mit einem Ohrwurm wie „Sitting on the Dock oft he Bay“ im Ohr ließ es sich leichter Abschied nehmen vom schönen Ambiente. Ach – und es spielte noch jemand mit: das Wetter. Watt’n Glück.

Klaus Gohlke

Jazz im Park

Park des Ritterguts Dorstadt, Landkreis Wolfenbüttel

Jazz-Musik im Ambiente traditionsreicher Parkanlagen der Region – Das ist die Besonderheit des Open Air-Festivals JAZZ IM PARK, das 2021 bereits zum 8. Mal von der Braunschweigischen Landschaft ausgerichtet wird. Nachdem wir im letzten Jahr pandemiebedingt absagen mussten, freuen wir uns umso mehr, dass wir in diesem Jahr endlich im Park des Ritterguts Dorstadt zu Gast sein dürfen. Einlass für alle Jazz- und Gartenbegeisterten ist ab 14 Uhr, das Musikprogramm beginnt um 15 Uhr.

Aufgrund der aktuellen Situation wird es in diesem Jahr keine Tageskasse geben, die Tickets werden stattdessen ausschließlich im Vorverkauf online oder bei allen Vorverkaufsstellen erhältlich sein.

» Weitere Informationen

Veranstalter: Braunschweigische Landschaft e.V.

 

Kritik zu Simon Below Quartett

Ohne Publikum ist alles nichts

Trotz Delta-Variante und Regengüssen: Ein hoffnungsfrohes Jazzkonzert mit dem Simon Below Quartett

Nein, kein „Cave- oder Höhlen-Syndrom“.* Weder bei den Musikern noch bei den Konzertbesuchern. Höhlensyndrom – das ist so eine Folgeerscheinung der Corona-Geschichte. Nämlich die Angst, wieder unter die Leute zu gehen. Hätte ja sein können, zumindest beim Publikum. Die Musiker, vier junge Kölner Jazzer, drängt es ja nun in der Après-Covid -Zeit mit aller Macht ans Licht. Aber das Publikum war doppelt unter Druck. Evidenz 10 plus in Braunschweig und dann noch das Wetter am Freitagabend. Regen ohne Unterlass von nicht geringer Intensität. Trotzdem: Auch hier ZUVERSICHT!
Um die 80 Jazzbegeisterte waren so unter Entzug, dass sie sich aufmachten zum Open-Air auf der Freifläche am KULT-Theater. War aber auch alles regelkonform von der Initiative Jazz Braunschweig in Zusammenarbeit mit Kult-Chef Thomas Hirche organsiert. Das Besondere und Entspannende an diesem Terrain freilich ist, dass fast alles überdacht ist und gut bestuhlt werden kann.
Beste Voraussetzungen also für, wie der Bandvorstand Simon Below erläuterte, den „ersten echten Gig nach der langen Covid-Pause. Und das erste CD-Release-Konzert der Band nach der 2020er Produktion der neuen CD.“ Normalerweise, muss man wissen, fallen CD-Erscheinung und Promotion über Konzerttouren immer zusammen.
Die Bedeutung des Auftritts, so Below im Gespräch, liege aber nicht im kommerziellen Sektor. „In diesen Tagen der Öffnung, der Rückkehr in die Normalität, haben wir gemerkt, wie viel Energie man vom Publikum bekommt. Das versetzt einen Musiker in Ekstase – auf und abseits der Bühne. Das gilt auch für die Konzertbesucher und bringt die Musik auf eine neues Level, welches man ohne Publikum nicht erreicht.“
Dem ist nichts hinzu zu fügen. Freilich, von Ekstase zu sprechen, ist vielleicht etwas kühn. Wer bei vier Jungjazzern, die sich dem Modern Jazz verpflichtet fühlen, auf wild vorwärtsstürmende Temperamentsbolzen hoffte, sah sich getäuscht. Simon Below an den Keyboards, Fabian Dudek am Altsaxofon, Yannik Tiemann am Kontrabass und Jan Philipp am Schlagzeug fühlen sich einer anderen Ästhetik verpflichtet. Die Stücke beginnen oftmals suchend-zurückhaltend. Eher zögernd wird musikalisches Gelände gestaltet. Es werden Melodiefragmente oder Klangräume eröffnet als Angebote an die Bandkollegen, diese aufzugreifen und individuell zu gestalten.
Das ist insofern bemerkenswert, weil sie sich dem Gebot des „Schneller-Höher-Weiter“ widersetzen und ein ausdauerndes Zuhören einfordern. Es ist spannend, zu verfolgen, welche Dialoge sich zwischen den Musikern entwickeln, wobei es überwiegend die zwischen Keyboard und Altsaxofon sind, während Bass und Schlagzeug die verlässlichen Strukturen kreieren. Erstaunlich für so eine junge Band die souveräne Gestaltung der Interplays, die Ausflüge ins Dissonante, das Changieren zwischen modaler Offenheit und Arbeit mit festen Strukturen. Nur ab und an stellt man sich die Frage: „Ja, wann geht es denn hier endlich mal ab?“ Passiert ja, könnte vielleicht aber des Öfteren geschehen?

*BZ v. 7.7.21

Klaus Gohlke

Open Air mit dem Simon Below Quartett

DAS KULT, Hamburger Straße 273 Eingang 2C, 38114 Braunschweig

Simon Below – Fender Rhodes, Komposition
Fabian Dudek – Saxofon
Yannik Tiemann – Bass
Jan Philipp – Schlagzeug

BeitragsbildBeschreien wir es nicht, aber es sieht so aus, als käme das Leben zurück. Auch das kulturelle. Nicht, dass unter Covid-Bedingungen kein Leben stattgefunden hätte. Aber eben „coronales Leben“, ein kastriertes.
Jazz-BS ist beim Re-Start dabei, zunächst, in vorsichtiger Einschätzung der Lage und auch, um ein größeres Publikum zu erreichen, als Open-Air. Wieder am KULT-Theater, diesmal im Hof C, was viele überdachte Sitzplätze ermöglicht. Die dann allfälligen Pandemie-Schutzvorkehrungen sind zu beachten.

Im Blickpunkt steht das Simon Below Quartett, das eigentlich von Jazz-BS für November 2020 im Westand geplant war. Eine junge Kölner Band, die gerade am Durchstarten ist. Das Quartett hat den internationalen Avignon-Jazzpreis gewonnen und so das Interesse des Traumton-Labels geweckt. Im September letzten Jahres erschien die jüngste CD „Elements of Space“. Coronabedingt ist der Auftritt in Braunschweig somit ein Release-Konzert.

Die Musik, fast ausschließlich von Below selbst geschrieben, wird von der Kritik als offen, variabel, Raum gewährend für die individuelle Entfaltung beschrieben. „Es geht darum, sich zu finden – dann entstehen magische Momente!“, so Below im Gespräch mit Jazzthetik-Autor Harry Schmidt.

Die können entstehen, weil die Kommunikation zwischen Below am Fender-Rhodes und seinem Saxofonisten Fabian Dudek von besonderer Qualität ist. Während Below eher eine zurückhaltend nach innen gerichtete Haltung einnimmt, fällt Dudeks vorwärtsdrängende Expressivität als Kontrast in den musikalischen Dialogen auf.
Jan Philipp am Schlagzeug und Yannik Tieman am Bass sind dabei nicht bloße „timekeeper“, sondern erweisen sich als einfühlsame Unterstützer im musikalischen Gestaltungsprozeß.

Was sie spielen, nennt Below „Kammerjazz mit Push“, meint also: zeitgemäßer Jazz, der sich zwischen den Polen extrovertiert-energetisch und melancholisch-minimalistisch bewegt.

» Weitere Informationen

Karten:
Musikalien Bartels, Braunschweig, Wilhelmstraße 89, Tel.: 05 31 / 12 57 12
Konzertkasse Braunschweig,
  Schloss-Arkaden & Medienhaus Braunschweiger Zeitung, Tel.: 05 31 / 1 66 06
• Online über eventim
• Abendkasse

Eintritt: Abendkasse 20 € / 18 € (ermäßigt) / 10 € (Schüler*innen & Studierende)

Bildrechte Simon Below Quartett: Kilian Amrehn