Kritik zu “Możdżer Danielsson Fresco Trio”

Jazz zum Wohlfühlen

Das Możdżer-Danielsson-Fresco-Trio zeigt die Farbigkeit der Welt der improvisierten Musik

Eden. Sie denken woran? Natürlich. An den Garten. Friedliche Bilder stellen sich ein, stimmt’s? Zephyr, der mild-segensreiche Windhauch, blühende Landschaft, Friede, Freude, naja – und Adam und Eva – vorm veganen Apfelmahl allerdings.

„Eden“, das war der Opener beim Jazzkonzert des Możdżer-Danielsson-Fresco-Trios am Samstagabend im LOT Braunschweig. Und er schien alle Klischees zu diesem polnischen Ausnahme-Jazzpianisten zu bestätigen. Sehr atmosphärische Musik, Wohlklang und Harmonie, klassisch geschult. Es perlte nur so vor sich hin. Eben zephyrisch. Und der Schwede Lars Danielsson am Bass, später auch Cello, sowie sein israelischer Perkussion-Kollege Zohar Fresco taten nicht das Geringste, diesen seelenfriedlichen Eindruck zu stören. Die Grundtöne der Akkorde wurden fein akzentuiert, später die Melodie tieftönend zärtlich umspielt. Besenreiser streichelten die kleinen und größeren Rahmentrommeln. Für Hardcore-Jazzer musste das wohl der Untergang des Jazz-Abendlandes sein.

Jedoch – es musste genauso klar sein, dass das so nicht weitergehen konnte. Możdżer ist ja nicht der Claydermann des Jazz! Der Abend machte vielmehr deutlich, dass es ihm mit diesem Trio (und überhaupt) eher darum geht, die Farbigkeit der Welt improvisierter Musik aufscheinen zu lassen. Ein Angebot, keine Vorschrift, Gefühle zu erleben.

Und so gab es die Akkordbrechungen, Dissonanzen, Verschiebung der Metren, Tempovariationen, rhythmische Finessen, die klangliche Selbstgefälligkeit nie aufkommen ließ. Ja, bei „Polska“ konnte man das ganze Stück hindurch den Eindruck gewinnen, als spielten die Musiker alle etwas anderes. Am ehesten noch von einem rhythmischen Muster verbunden, ansonsten aber auf seltsame Weise wie um einen Ton daneben.

In der Regel aber gab es diese Ausbrüche ins unvermeidlich Schräge nur phasenweise in den Kompositionen. Das Zuhören hätte man zu einem Ratespiel über die Dramaturgie der Stücke machen können. Wann kommt der Ausflug ins Abstraktere, wann die Rückkehr ins ruhige Fahrwasser? Hätte. Wäre man dann nicht doch immer wieder, wie bei „Incogitor“ oder dem Depeche Mode -Cover „Enjoy the silence“ in eine Stimmung versetzt worden, die Ratespiele ad absurdum führten. Wenige Akkorde nur, starke lyrische Momente bei Bass und Piano, dazu Frescos lautmalende Stimme – ein wiegendes Ein- und Ausatmen, mehr nicht. Und doch absolut kitschfrei.

Das Trio spielt schon lange zusammen. Die fein gesponnene Dynamik und differenzierte Interaktion macht alles Auftrumpfen und Prahlerische unnötig. Begeisternd-ansteckend die immer noch ungemeine Spielfreude der Drei. Improvisierte Musik auf höchstem Niveau.

„Das Highlight des Jahres!“, kommentierten viele Gäste diesen Auftritt, den die Initiative Jazz-BS auch als Gruß an den deutsch-polnischen Kulturverein Braunschweig verstanden wissen wollte, der nunmehr seit 20 Jahren besteht. Fein, dass Leszek Możdżer dann noch geduldig den Signier-und Fotowünschen vor allem der Zuhörer mit polnischen Wurzeln entsprach.

Klaus Gohlke