Kritik zu VEIN – Symphonic Bop

Hochkomplexe Trioarbeit
Das Schweizer Piano-Trio VEIN spielt reduzierte Bigbandkompositionen und Ravelbearbeitungen im Roten Saal zu Braunschweig

„Symphonic Bop“ war das Konzert des Schweizer Klaviertrios „Vein“ bei der Initiative Jazz Braunschweig betitelt. Was meint „Symphonic“ im Zusammenhang mit einem Jazztrio? Bop ist ja unmittelbar einleuchtend. Nun, es ist eine etwas unglückliche Bezeichnung, die zurückzuführen ist auf das letzte Projekt der Schweizer mit der Norbotten Bigband. Eine Kooperation von Trio und Groß-Ensemble sollte erprobt werden, die die jeweiligen Charakteristika beider Formationen ohne Selbstaufgabe verschmelzen sollte. Schon hier aber war „symphonisch“ irreführend. Es wurde weder symphonische Musik gespielt, noch hat eine Bigband Sinfonieorchester-Stärke.

Was nun am Freitagabend im Roten Saal zu Gehör gebracht wurde, war eine Reduktion dieser Bigband-Arrangements, ein Herunterbrechen auf Kammermusik-Jazz-Ebene. Nicht, dass das nicht geglückt wäre. Im Gegenteil, grundsätzlich gesehen. Nur, dass gewisse Hörerwartungen, die eventuell in Richtung durchschaubaren „Third Stream“ gingen, gleich zu Beginn enttäuscht wurden.

„Vein“ spielte, wenn schon, dann eher Bop, wobei das auch nicht stimmt. Es war eine Mixtur hochkomplexer Trioarbeit, die einerseits eine Aneignung der Jazztradition widerspiegelte, andererseits aber sehr eigenständige Fortentwicklungen des Jazz bot. Ergänzt durch Bearbeitungen von Ravel-Kompositionen, nur für Experten als solche erkennbar, was aber durchaus kein Handicap sein musste.

Der Einstieg mit „Boarding the Beat“ war kein sanftes Hinführen zum Vein-typischen musikalischen Denken, sondern es ging gleich zur Sache. Wohl war da eine thematische Einführung, dann aber ging es zügig in die Durchführung, die sich durch konzentriertes Interplay auszeichnete. Vor allem die Rolle von Thomas Lähns am Kontrabass war spannend zu hören, nämlich einerseits eine rhythmische Grundierung mit und über das Schlagzeug hinaus zu liefern, andererseits die Piano-Exkurse melodisch einzuleiten und zu umspielen. Die Band zeigte sich dynamisch und rhythmisch variantenreich und jazzaffin, wenngleich immer wieder Hinweise auf klassische Musik aufschienen.

Was „Vein“ an diesem Abend aber offenbar auch demonstrieren wollte – oder wollte es nur der Schlagzeuger Florian Arbenz? – war nicht ganz unproblematisch. Dass es nämlich nicht ein typisches Klavier-zentriertes Piano-Trio sein wollte, sondern durchaus andere Akzente zu setzen weiß. Florian Arben, so schien es streckenweise, wollte wohl den kammermusikalisch-klassischen Ansatz mit Jazzrock-Anleihen durchlöchern. Nicht, dass er im Laufe des Abends dynamisch einfallsarm geblieben wäre! Überhaupt nicht. Wunderbar sein Duo mit Lähns etwa, seine Besenarbeit später. Aber er zeigte sich als ungemein kräftiger Gegenpol zum Pianospiel seines Bruders Michael. Sein Können beeindruckte, aber er überlagerte seine beiden Mitspieler mitunter doch sehr. Das konnten das Pianosolo in „Reflections in D“ und die Ravel-Bearbeitung „Mouvement de Menuet“ nur partiell kompensieren.

Die Kompositionen waren komplex, anspielungsreich, keinesfalls flacher Third Stream. Eine sehr eigenständige Tonsprache des Jazz wurde erlebbar, nur die an „Vein“ so gelobte größtmögliche Ausgewogenheit ihres Interplays konnte man an diesem Abend nicht unbedingt erleben.

Klaus Gohlke