Interview mit Heinz Sauer & Daniel Erdmann

Vierer mit zwei Steuermännern
Das Heinz Sauer/Daniel Erdmann Quartett spielt am kommenden Freitag im Braunschweiger Lindenhof modernen Jazz

Eine seltsame Konstellation: 82 Jahre alt ist Heinz Sauer, eine Tenorsaxofon-Legende; Daniel Erdmann, ein Braunschweiger Gewächs, das sich in die erste Liga des Jazz gespielt hat, mit seinen 41 Jahren genau halb so alt. Wie geht das zusammen und warum? Das, aber auch Fragen nach der gegenwärtigen Situation der Jazzmusik, erkundete unser Mitarbeiter Klaus Gohlke im Gespräch mit den beiden Musikern.

Herr Sauer, Sie sind 82 Jahre alt. Warum dann noch Tour-Stress?

Das ist ja keine Tour, sondern mal hier und da ein Konzert. Soll ich mich in den Sessel setzen und auf den Tod warten? Das ist nicht mein Ding.

Sie spielen gern mit sehr viel jüngeren Musikern zusammen.

Ja, das ist einfach interessanter. Jazz, das ist Improvisation. Bei älteren Musikern besteht die Gefahr, dass sie nicht mehr improvisieren, sondern eher schematisch Gewohntes runterspielen. Immer die gleichen Phrasen. Bei Daniel Erdmann jetzt oder auch beim Pianisten Michael Wollny, da weiß man nie, was im nächsten Moment kommt. Das ist aufregend spontan.

Herr Erdmann, Sie sind in Wolfsburg geboren…

Ja, schon, meine jazzmusikalischen Wurzeln befinden sich aber in Braunschweig. Bei George Bishop habe ich Saxofonspielen gelernt. Es gab im Städtischen Museum tolle Jazzkonzerte, auch bei Otto Wolters habe ich mitgespielt. Braunschweig war ja eine kleine Jazz-Hochburg. Nils Wogram, Jürgen Friedrich, die Groß-Schwülperer, waren kurz vor mir am Wirken.

Sie spielen mit Heinz Sauer zusammen? Was ist das Besondere? So etwas wie ein Showdown? Oder eher Unterstützung eines älteren Kollegen?

Um Himmels willen, weder noch. Heinz – das ist die absolute Klarheit beim Spielen, aber zugleich auch Poesie. Er sucht den perfekten Klang. Es gibt bei ihm keine Beliebigkeit, jeder Ton ist wichtig. Er ist ehrlich im Spiel, nie geschwätzig. Das macht unheimlich Spaß.

Aber zwei Tenorsaxofonisten in der Band, kein Harmonieinstrument – ist das nicht etwas eigenartig?

Ja, schon, wenngleich nicht völlig neu. Der Bassist übernimmt teilweise den Harmoniepart. Er spielt oft gestrichen oder mit Doppelgriffen. Aber nicht nur. Auch die Saxofone können die Harmoniker sein.

Herr Sauer, wie sehen Sie das Tenorsax-Doppel?

Naja, ich liebe ja das Zusammenspiel mit einem Klavier, das dann die Harmonien legt. Aber so etwas wie jetzt, das ist sehr inspirierend, das hab ich ja auch mit Albert Mangelsdorff gemacht. Posaune und Sax. Der Reiz zweier Saxofone besteht ja auch darin, zwei unterschiedliche Spielkulturen zu erleben. Zwischen Daniel Erdmann und mir gibt es Übereinstimmungen, aber vom Spiel her auch große Differenzen. Das liefert Spannung.

Unlängst sagte ein Kritiker polemisch, es gebe ein Überangebot an Jazzmusikern, ähnlich wie bei Nagelstudios.

Da ist was dran. Was oft fehlt, ist eine Aussage. Jazz ist eine Musik des Protestes, eine Musik der Freiheit. Darin ist sie auch politisch. Die Nazis hassten Jazz. Es geht darum, die Seele rauszuspielen. Das fehlt im Kommerz der Gegenwart zu oft.

Herr Erdmann, viele junge Jazzmusiker verlassen die Hochschulen. Zu viele?

Na ja. Das Problem ist: sie spielen richtig. Mehr aber auch nicht. Ein Instrument lernen, ist ja nichts Außergewöhnliches. Es muss dann aber etwas hinzukommen. Eine außergewöhnliche Kreativität; die Fähigkeit, magische Momente im Spielen zu evozieren. Technik allein ist steril.

Was wünschen sie beide sich für das Konzert am Freitagabend?

Dass es viele dieser tollen Momente gibt im Zusammenspiel zwischen uns Musikern und dem Empfinden des Publikums. Einen gelungenen Austausch ohne Worte.

BZ-Text vom 16.5.2015