Kritik zu Eva Klesse Quartett

Klesses Erzählungen
Das Eva Klesse Quartett spielt begeisternden modernen Jazz im ausverkauften Roten Saal

Nein, das waren keine neuen Hoffnungsträger des Jazz, keine „upcoming stars“, kein Silberstreif am Jazzhorizont. Nichts von dem, was medial wichtigtuerisch herum posaunt wird und doch bloßer Reflex kulturindustrieller Imperative ist.

Es war „nur“ das Eva Klesse Quartett, das am Freitagabend auf Einladung der Initiative Jazz Braunschweig im Roten Saal spielte. „Nur“? Nun, es spielte eine hervorragend eingespielte, kreativ miteinander kommunizierende Formation. Vier MusikerInnen, die ihr musikalisches Handwerk bis ins Detail verstehen. Die nicht morphten oder Module konstruierten, auch kein angeblich neues „zirkulares Musikverständnis“ zelebrierten, wohl aber Kompositionen spielten, deren zugrunde liegende Ideen den ZuhörerInnen unmittelbar einleuchteten. Die eine Basis lieferten, Jazz-Spaziergängen zu folgen, auch wenn sie mal ins musikalische Hochgebirge führten.

„Wesen und Zustände“, so Eva Klesse, „spiegeln die Stücke wider oder sind Ausgangspunkte.“ Alltägliche Verwirrungen, Traumsequenzen, Gefühlsüberschüsse, Fabelwesen, Erinnerungen, die in Musik transformiert werden.

Fast programmmusikalisch mitunter, wie in „Klabautermann“. Geisterartig-verschwebende Sounds als Einstieg, gefolgt von einer dramatisch aufgeladenen Fortführung, die sich zu einem wilden Tanz entwickelte. Ja, der Schiffsgeist war an Bord! Dann überraschend ein harter Break – etwas, was das Klesse-Quartett liebt – dem fast kammermusikalische Gespräche zwischen Bass und Piano folgten. Ein langes Crescendo dann, ein Finale furioso, wüst, die tonalen Grenzen aufsprengend. Klare Botschaft: Der Schiffsgeist geht und das Schiff unter.

Ganz anders präsentierte sich das Quartett in „Gravity“. Melancholisch-düster, verzerrt, hoch- und tiefst-tönig, mal völlig transparenter Klang, dann mächtig anschwellender Soundwall. Dazwischen wiederholt eine wunderschöne Melodie bei Reduktion der Begleitung auf das Nötigste.

Überhaupt: Improvisation und Komposition verschmolzen raffiniert, die Soloparts waren integriert. Und die Verankerung der Band in der musikalischen Tradition auch außerhalb des Jazz war unaufdringlich und doch schön nachvollziehbar in Stücken wie „Hal Incandenza“ oder aber dem anrührenden, nahezu „romantischen“ „Choral für P.“

Eva Klesse weist zu Recht darauf hin, dass sie zwar die „Orga-Chefin“ der Band , das Quartett aber ein Kollektiv sei mit ihr am Schlagzeug, Philip Frischkorn am Klavier, Evgeny Ring am Saxophone und Stefan Schönegg am Kontrabass. Genauso ist es: Ein organisches Gebilde auf höchstem Niveau. Viel Beifall im ausverkauften Haus.

Klaus Gohlke