Uli Beckerhoff Quartett
plus special guest: Otto Wolters

Roter Saal im Schloss, Schlossplatz 1, 38100 Braunschweig

Uli Beckerhoff – Trompete und Flügelhorn
Richard Brenner – Piano
Moritz Götzen – Bass
Niklas Walter – Schlagzeug
Otto Wolters – Piano

Unmittelbar vor Weihnachten gastiert der Trompeter Uli Beckerhoff mit seinem neuen Quartett im Roten Saal des Braunschweiger Schlosses. Beckerhoff, der seit Anfang der Siebziger Jahre zu den führenden Vertretern seines Instruments in Deutschland und Europa zählt, hat sich für sein neues akustisches Quartett drei junge und hochtalentierte Musiker ausgesucht, die alle Eigenschaften mitbringen, die für eine große künstlerische Karriere Voraussetzung sind: höchste instrumentale Fähigkeiten, große emotionale Ausdruckskraft, Einfallsreichtum und Risikobereitschaft. Generationsübergreifend entsteht so der Raum für kreatives Zusammenspiel als Grundlage für Beckerhoffs vielseitige, swingende Kompositionen und seinen mal lyrischen, mal zupackenden Trompetenton.
Die Jazzinitiative Braunschweig hat Uli Beckerhoff im Verlauf seiner Karriere immer wieder vorgestellt: so mit den Gruppen „Riot“, „Changes“, der „International Skoda Band“ oder mit Formationen, die mit dem Braunschweiger Pianisten Otto Wolters verbunden sind. Bei unserem Konzert wird es deshalb auch zu einem Treffen dieser zwei Urgesteine des modernen deutschen Jazz und seiner pädagogischen Vermittlung kommen. Wolters wird als Gast bei einigen Stücken mitwirken.

Uli Beckerhoff spielte in zahlreichen Bands mit der Elite der deutschen Jazz-Musiker zusammen. Unter dem Namen „Changes“ stellte er Anfang der Achtziger Jahre zusammen mit Wolfgang Engstfeld, Ed Kröger, Peter Bockius und Peter Weiss die bedeutendste deutsche Neo-Bop-Gruppe zusammen, mit der er auf vielen europäischen Festivals auftrat. Er spielte in der Manfred Schoof Big Band, mit Charlie Mariano und Jasper van`t Hof, ebenso mit internationalen Jazzstars wie Stan Getz, Norma Winstone, John Taylor und vielen anderen. Er schrieb Auftragskompositionen für Rundfunksender. Beckerhoff hat an verschiedenen Institutionen als Pädagoge gewirkt. Seit vielen Jahren ist er Professor für Jazztrompete und Ensembleleitung an der Folkwang Hochschule in Essen.

Sein Schaffen ist auf zahlreichen Tonträgern dokumentiert.

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Karten:
Musikalien Bartels, 38100 Braunschweig, Wilhelmstraße 89, Tel.: 05 31 / 12 57 12
Touristinfo Braunschweig, Kleine Burg 14, Tel.: 05 31 / 470 - 20 40
Konzertkasse Braunschweig,
  Schloss-Arkaden & Medienhaus Braunschweiger Zeitung, Tel.: 05 31 / 1 66 06
– Online über eventim
– Abendkasse
– und weitere …

Eintritt: Abendkasse 20 € / 18 € (ermäßigt) / 10 € (SchülerInnen/StudentInnen)

Mit freundlicher Unterstützung:
Die Braunschweigische Stiftung
Kulturinstitut der Stadt Braunschweig

Kritik zu “Uli Beckerhoff Quartett plus special guest: Otto Wolters”

Alte Hasen und junge Wilde
Das Uli Beckerhoff-Quartett und der Braunschweiger Jazz-Pianist Otto Wolters
als „Special Guest“ begeistern ihre Fans

Der Uli beschenkt den Otto und der Otto den Uli. Beide beschenken das Publikum und das beschenkt wiederum die beiden. Gelungene Weihnachten unter Jazzern, wobei der Uli das Ulrich Beckerhoff Quartett meint. Und der Otto ist der Braunschweiger Jazzpianist, den man gerne „Urgestein“ nennt, dabei ist er alles andere als Gestein, und ob er „Ur“ ist, soll beantworten, wer meint, es zu können. Ja, und das Publikum, das waren alle im ausverkauften Roten Saal des Braunschweiger Schlosses am Freitagabend, die dem Modern- Jazz-Konzert des Quartetts, für zwei Songs um Special Guest Otto Wolters erweitert, mit Sympathie und Vergnügen lauschten.

Ausverkauft- warum eigentlich? Nun, Otto Wolters hat viele Freunde in der Region, die wissen, dass er seiner Berufung, dem Jazz, immer noch mit Anspruch nachgeht. Und auch der Trompeten-Professor Uli Beckerhoff hat viele Anhänger hier. Einmal seiner Musik, seines ausgezeichneten Trompetenklangs wegen, aber auch, weil er mit Otto Wolters durch etliche gemeinsame Konzerte hier in Braunschweig schon als eine Art mystische Jazz-Einheit gilt.
Buddies, die für Jazz auf höchstem Niveau stehen. Eine innige Melange also aus persönlichem und allgemeinem Interesse auf allen Seiten.

Dabei war die Musik nicht unbedingt von einschmeichelnder Qualität. Sie war vielmehr bewusst anspruchsvoll, von gewissermaßen quer liegendem Charme. Durchaus Wohlklingendes wurde jäh mittels furioser Trompetenstöße oder -läufe in dissonantes Gestrüpp verwandelt. Unvermittelt wurden durch krassen Rhythmuswechsel lang durchgehaltene ostinate Bass-Passagen aufgebrochen ( „Capo d’Orlando“) und später wieder fortgeführt. „Heroes“ ließ merkwürdigerweise Erinnerungen an Miles Davis‘ frühe Elektrik-Phase, den Druck der Rhythmus-Gruppe vor allem, aufkommen. Soundlandschaften ließen sich erahnen, die nach schöner Entfaltung zerstört wurden. In „Tango Tragico“ zeigte diese musikalische Konzeption – man könnte sie „Änderung der Fahrtrichtung durch absichtliche Entgleisung“ nennen – recht humorvolle Züge. Ironischer Umgang mit dem typischen Tango-Rhythmus, melodische Verschleifungen, Stimmungswechsel zwischen überbordender Dramatik und Understatement ließen das Bild eines nicht ganz elegant ablaufenden Tanzabends aufkommen.

Das Quartett sorgte aber auch schon deshalb für Interesse, weil sich Beckerhoff als 70jähriger „alter Hase“ mit drei ‘“jungen Wilden“ umgab, nämlich Richard Brenner (Piano), Moritz Götzen (Bass) und Niklas Walter (Schlagzeug). Der Meister ließ ihnen völlig uneitel viel Raum, ihre musikalische Kompetenz zu entfalten. Und die war angenehm fern irgendwelcher Sturm- und-Drang-Kraftmeierei.

Aber – Anspruch und Konzept hin oder her: manchmal hätte man einfach Lust gehabt, sich musikalisch fallen zu lassen, sich mal richtig einem Groove hinzugeben. Aber vielleicht war das ja nur ein schwächelndes Begehren, das sich angesichts des unabwendbaren Weihnachtsgedudels draußen einstellte. Lang anhaltender Beifall.

Klaus Gohlke

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Die Braunschweiger Szenekneipe „Bassgeige“ feiert 40. Geburtstag

Lebenswichtiges Jazzorgan
Die Braunschweiger Szenekneipe „Bassgeige“ feiert 40. Geburtstag

„Sie haben ein Kleinod hier! Wo gibt es das noch in Deutschland?“, sagt Robert Landfermann, einer der bekanntesten deutschen Jazz-Bassisten bei einem kurzen Zwischenstopp auf der Reise von Krakau nach Köln über die „Bassgeige“ am Braunschweiger Bäckerklint. Und er muss es ja wissen, er kommt in der Welt herum. Aber – eine Jazzkneipe als Kleinod zu bezeichnen? Also als eine Kostbarkeit, ein Schmuckstück? Was soll das Kostbare, das Schmucke daran sein? Dass sie am 23. November 40 Jahre alt wird?

Seien wir ehrlich, Schönheit ist etwas anderes. „Verqualmt und abgeranzt!“, nennt die passionierte Szenegängerin Carola Remus die Kneipe. „Aber – ich mag sie halt!“ Abgeranzt? Vielleicht etwas zu hart. Aber ein echter Ra(e)ucherschuppen. Eigentlich out so etwas. Wer da reingeht, ist entweder passionierter Raucher, oder aber er nimmt die Atembeschwerden und den anschließenden Klamottengestank bewusst in Kauf. Weil, ja, weil es da etwas Wichtigeres gibt, als diesen „Kleinkram“. Was da wäre? Die Braunschweiger Jazzsängerin Britta Rex formuliert es so: „Die ‚Bassgeige‘ ist urig, ehrlich, erfrischend unangepasst an aktuelle Modeerscheinungen!“

Dieser Schlauch von Lokal, die schlichten Lampenschirme aus Peddigrohr-Geflecht, das zweckdienliche Mobiliar. Die überall – wiederum mit Carola Remus zu sprechen: „…verstaubten, liebevoll angesammelten und originell arrangierten „Steh-Herum-chen“ wie die PEZ-Figuren, die Ü-Eier-Basteleien, die Wachsposaune!“ Dazu die Plakate und Bilder. Absolut kein durchkonfektioniertes, steriles Gaststätten-Interieur. Und völlig kompatibel dazu die Erscheinung des „Bassgeigen“-Chefs Norbert „Bolle“ Bolz. Gern im karierten Hemd, die Haare altersgemäß ausgedünnt langfädig. Aber seien wir ehrlich: Der sich dokumentierende urige Eigensinn des Lokals mag seinen Charme haben, aber ein „Kleinod“ wird es dadurch doch nicht unbedingt. Nein, es ist anderes! Mehr!

„Die ‚Bassgeige‘ ist mir über die vielen Jahre gleichsam ein musikalisches Zuhause geworden!“, so Hans-Christian Hasse, Jazz-Pianist und Dozent an der TU Braunschweig. „Eine anregende, seelenvolle Oase!“, meint der Braunschweiger Bassist Heinrich Römisch. Und Thomas Geese, ortsbekannter Schlagzeuger und Jazz-Autorität, verweist auf die größeren Zusammenhänge, die diese Spielstätte so besonders sein lassen: „Bolle hat die ‚Bassgeige‘ zu einer bundesdeutschen Topadresse des hart swingenden Jazz mit amerikanischen, europäischen und natürlich deutschen Musikern gemacht! Die Bassgeige groovt!“

In der Tat! Dieser „Laden“ war über vier Dekaden so etwas wie ein zentrales Organ des Jazz. Braunschweig wurde zu einem Begriff in der Szene. Wer hier alles auflief, spielte oder einfach die Aura genoss – mit wem soll man anfangen, mit wem aufhören? Blues-Legenden wie Eddie „Cleanhead“ Vinson, Jack Dupree, Robert Lockwood Jr. gaben sich die Klinke. Jazz-Größen wie Horace Parlan, Jim Pepper, Charlie Mariano, Gerd Dudek, Joachim Kühn gastierten. Einer der gegenwärtig weltbesten Posaunisten, der Braunschweiger Nils Wogram, nennt die „Bassgeige“ einen für ihn „ganz wichtigen Ort, und zwar als eigene frühe Auftrittsmöglichkeit, als Ort produktiven Zuhörens, aber auch als Inspirationsquelle durch Bolles profunde Plattensammlung!“, die mittlerweile über 7000 Exemplare umfasst.

Lange bevor man von „Networking“ sprach, schuf Bolle sein Jazz-Netzwerk. Das bedeutete, dass er nicht nur Musiker einlud, sondern auch zu den Jazz-Brennpunkten fuhr, um dort Kontakte zu knüpfen. Die internationale, regionale und lokale Szene wurden so in Verbindung gebracht und konnten sich präsentieren. Es war und ist für viele Musiker nicht nur der Region eine Ehre, in Bolles „Baßgeige“ aufzutreten.

Und das unter diesen räumlich arg eingeschränkten Bedingungen! Die Bühne am Ende des Lokal-Schlauchs ist, wenn ein Quartett mit Akustik-Bass, Piano, mittlerem Schlagzeug und Gebläse auftritt, eher ein „Stau“-Raum von 6 Quadratmetern. Man hockt nahezu aufeinander – und fast im Publikum. „Jazz direkt vor deiner Nase (bzw. Ohren). Atemberaubend, hautnah!“, charakterisiert Uli Papke, Braunschweiger Saxofonist und Session-Organisator das Ganze.

Das ist es gerade: Clubatmosphäre mit einem ganz besonderen Ambiente. So ein wenig New York der 40er und 50er Jahre: Birdland, Village Vanguard, Onyx, gewürzt mit etwas Jazzromantik. Deswegen Raucherlokal, Kneipenbetrieb während der Konzerte, der Zwang zur Improvisation auf und vor der Bühne. „Eng, heiß und inspirierend!“, bringt es Britta Rex auf den Punkt.

Das alles lässt die Musiker auftreten, auch wenn die Bezahlung nicht Gold ist. Weit mehr als 2000 Veranstaltungen gab es bislang. Man spielt auf Eintritt, spielt auch mal für einen Appel und ein Ei, weil man andernorts eine ordentliche Gage erzielen konnte. Aber – es kann auch sein, dass Bolle zulegen muss. Die Zuhörerkapazität ist im Lokal nun mal begrenzt. Gewinnstreben war allerdings nie Bolles Sache. Man muss sich da eben durch lavieren. Und das ginge weder physisch, noch psychisch, noch betriebswirtschaftlich, hätte Bolle nicht seine Lebensgefährtin, Karin Schlesiger, als Ruhepol an seiner Seite. Und gerade jetzt, wo es mit seiner Gesundheit nicht zum Besten bestellt ist, braucht er sie mehr denn je.

Die „Bassgeige“ ist Bolle und Bolle ist die „Bassgeige“. Diese Szenekneipe und der Mann dahinter hätten den deutschen Spielstättenpreis verdient. Durch sie ist Braunschweig weit, sehr weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt geworden. Er sollte sich noch bewerben! Ja, und er sollte auch noch ein Buch über diese Geschichte Braunschweiger Kultur schreiben. Material hat er zuhauf und ein phänomenales Erinnerungsvermögen dazu.

Wie wird es weiter gehen? Bolle weiß es auch nicht so recht. Es kommt auf seinen Körper an. Läuft der weiter, läuft auch der Betrieb weiter. „Bis ich hinterm Tresen liege!“, sagt er schwarz-humorig. Mannomann. Gar nicht auszudenken, wenn dieses Kleinod plötzlich dicht machte!

Klaus Gohlke

Jamsession im Quartier

Jazzsession38 SPEZIAL: Session goes homegrown!

Opener: r2w

Sven Waida – keys
Kai Brandhorst – bass
Jürgen Schröder – git
Heiko Schwarting – drums
Hank Bogus – ts
Lucian Lohse – tr
Luki Rastlos – rap

Eintritt: frei

Christof Lauer Trio

LOT-Theater, Kaffeetwete 4a, 38100 Braunschweig

Christof Lauer – Saxofone
Thomas Alkier – Schlagzeug
Lisa Wulff – Bass

Mit Christof Lauer stellt die Initiative Jazz Braunschweig einen der führenden Tenorsaxophonisten Europas vor. Lauer spielte seit Mitte der Siebziger Jahre u.a. im Albert-Mangelsdorff-Quintett, im United Jazz und Rock Ensemble oder dem Jazzensemble des Hessischen Rundfunks. Gleichzeitig verfolgte er eigene, vielbeachtete Projekte. Seit 1993 gehört er fest zur NDR BigBand. Lauer, ursprünglich stark vom übermächtigen John Coltrane beeinflusst, hat eine eigene kraftvolle Sprache auf seinem Instrument entwickelt, mit dem er immer wieder neue Herausforderungen sucht. Eine davon ist das Spiel im Trio mit Bass und Schlagzeug, in dem er auf ein Harmonien lieferndes Instrument wie Piano oder Gitarre verzichtet. Dieses Spiel ohne Netz und doppelten Boden ist Virtuosen vorbehalten. Das berühmteste Beispiel dafür ist Sonny Rollins, der immer wieder auf diese Formation zurückgriff.

Solch ein Vorhaben kann nur gelingen, wenn Bass und Schlagzeug ebenfalls virtuos besetzt sind. Mit Lisa Wulff, der jungen Top-Bassistin aus Deutschland, und dem versierten Schlagzeuger Thomas Alkier gehören zwei zum Trio, die sich kreativ gegenseitig befeuern und gleichberechtigt mit dem Saxophon kooperieren.

Lisa Wulff, 1990 geboren, studierte Bass bei Detlef Beier in Bremen. Sie war für den Echo Jazz 2017 in der Kategorie Instrumentalist/in National Bass/Bassgitarre nominiert. Sie spielt in mehreren Bands (u. a. „Kalis“, „takodoon“) und leitet ein Quartett unter eigenem Namen. Ihre Vielseitigkeit an Kontrabass und E-Bass macht sie zu einer stark nachgefragten Künstlerin für die verschiedensten Projekte, so z. B. regelmäßig für die NDR BigBand. Tourneen unternahm sie mit Randy Brecker, Curtis Stigers oder Nils Landgren.

Thomas Alkier, Jahrgang 1965, gehört seit Jahren zu den renommierten Schlagzeugern Europas. Seine Kreativität und positive Ausstrahlung verhalfen ihm zu Engagements u.a. mit Gary Burton, Betty Carter, Michel Godard, Joachim und Rolf Kühn, Wolfgang Puschnig. Herausragend seine Zusammenarbeit mit Carla Bley und Steve Swallow u.a. im Mai 2006 bei der Aufführung von “Escalator over the Hill“ und im November 2008 bei “3/4“ mit dem Pianisten Uri Caine.

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Karten:

Eintritt: Abendkasse 20 € / 18 € (ermäßigt) / 10 € (SchülerInnen)

Mit freundlicher Unterstützung:
Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz
Kulturinstitut der Stadt Braunschweig

Sound on Screen Festival Edition

Internationales Filmfest Braunschweig e.V.

Logo

GREGORY PORTER: DON’T FORGET YOUR MUSIC
Regie: Alfred George Bailey

DEUTSCHE PREMIERE
USA, GB, F, D 2016
85 Min., OV

Beitragsbild“You have to experience life before you sing it”. Der weltweit gefeierte Jazz- und Soulsänger Gregory Porter hat wahrlich die Höhen und Tiefen des Lebens durchgemacht. Das intime Portrait des sanften Riesen mit der markanten Baritonstimme zeigt die vielen Stationen seiner turbulenten Karriere, von den ersten Schritten in der Gospelkirche bis zu seinem Welterfolg mit dem Album “Liquid Spirit”, für das er einen Grammy erhielt. Daneben hat das Filmteam die Aufnahmen zu seinem letzten Album “Take Me To The Alley” sowie zahlreiche Liveauftritte begleitet. Von seiner mitreißenden Bühnenpräsenz schwärmen auch die Interviewpartner Jamie Cullum, Van Morrison und Jools Holland.

Internationales Filmfest Braunschweig e.V. in Kooperation mit Initiative Jazz Braunschweig

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Jamsession im Quartier

Opener:

Eva Kühne – voc / git
Tobi Lampe – bass
Felix Schulz-Benn – drums
Stefanie Riemenschneider – ts

Eintritt: frei

Kritik zu “Arild Andersen Trio”

Die stille Show
Jazzkonzerte bieten dem Auge des geneigten Hörers besondere Erlebnisse

Musik ist zuallererst ein physikalisches Ereignis. Es geht um Schwingungen der Luftsäule, um physikalisch-akustische Gesetzmäßigkeiten. So weit, so einfach. Was diese Schwingungen dann hervorrufen, kann man knochentrocken und sehr zutreffend mit dem Musikhistoriker Alex Ross „eigenartige Empfindungen“ nennen. Jeder Konzertbesuch illustriert das. Gleichzeitig aber wird auch das Auge bei Konzerten angesprochen. Es soll hier nicht um die Shows populärer Musik gehen, etwa die Akrobatik-Einlagen von Helene Fischer oder die Multimedia-Shows eines Udo Lindenberg. Es geht hier nicht um zielgerichtete Handlungen, vielmehr um etwas Beiläufiges und Stilles: um Mimik und Gesten vor allem. Etwas, das besonders bei Jazzkonzerten eine zusätzliche Ebene der Beobachtung, eine zusätzliche Intimität bietet, die es anderswo in der Musik in dieser unmittelbaren Form nicht gibt.

Was erlebte man nun beim Konzert des Arild-Andersen-Trios am Samstagabend im Braunschweiger LOT-Theater so ganz beiläufig? Um es ganz klar zu sagen: nichts Sensationelles. Etwas, was sich in jedem Jazzkonzert ereignet, allerdings kaum Beachtung findet, obwohl es doch individuell immer wieder anders ausgeprägt ist.
Also: Andersen spricht seine Musik, zumindest bewegen sich seine Lippen während des Spielens permanent. Es könnte auch ein inneres Singen sein. Jedenfalls eher still. Nicht wie bei Keith Jarrett dieses hochtönige Untermalen.
Der schottische Saxofonist Tommy Smith fällt auf andere Weise auf. Nicht beim Musizieren, wohl aber beim Zuhören. Er geht in die Hocke, fixiert seinen Bandleader aufmerksam und zeigt sich bei einigen Bassläufen höchst interessiert. Gleichzeitig verfolgt seine rechte Hand oft den rhythmischen Verlauf des Spiels seiner Kollegen. Er kann nicht loslassen, wenn man so will. Thomas Strønen, der Schlagzeuger, wird auf seltsame Weise von der Rhythmusarbeit angepackt. Je nach dynamischem Einsatz streckt sich der ganze Körper nach oben, dreht sich nach links bzw. rechts, begleitet mitunter von einem milden Lächeln. Nach Phasen höchster Konzentration, im Spannungsabfall, wirkt er wie im Trance-Zustand mit glasig-verschleiertem Blick.
Interessant sind die Momente, und derer gibt es an diesem Abend recht viele, in denen die Musiker lächeln: einzeln, zu zweit oder auch kollektiv. Was mag das Belustigende, Erfreuliche sein? Man kann oft nur rätseln. Eine unerwartete Variante im Spiel? Ein kleiner Fehler, nur dem Insider bemerkbar? Ein besonderer musikalischer Coup? Oder ziehen die Burschen nur die Shownummer „cooler Jazzer“ ab? Mitunter aber ist der Grund erkennbar. Wenn Andersen etwa mitten im Stück den Rhythmus über drei, vier Takte jäh verändert. Einfach so ein kleiner musikalischer Scherz. Variatio delectat. Das lässt schon mal grinsen.
Dass das Spiel an die psycho-physische Substanz geht, ist nicht zu verbergen. Es muss nicht unbedingt so ein speediger Fetzer sein wie „Outhouse“, der nach Luft schnappen lässt. Auch langsame Balladen, Uni-Sono- und Soloparts fordern Etliches ab, was zu einem Aufrichten, Lockern, Zurücktreten zwingt. Vor allem zu einem ständigen Blickkontakt während des Spiels. Man nennt das „das Interplay“, das Zusammenwirken der Musiker, hier auf der visuellen Ebene. Man mag noch so lange miteinander gespielt und Automatismen eingeschliffen haben. Der Zeitpunkt der Changes, die Dauer der Soli, die emotionale Verfassung der Einzelnen kann nur über den Blick erfasst werden. Interplay als Spiel der Blicke zwischen den Protagonisten.

Die drei Herren sind allesamt gestandene Musiker, aber – und das sollte das Publikum in seinem Selbstwertgefühl doch erheblich stärken – wenn es den Zwischenbeifall für gelungene Solo-Arbeit gibt, dann freuen sie sich aufrichtig. Tommy schottisch knapp, Thomas noch etwas erschöpft, am gelöstesten aber Arild, trotz seiner fast 50jährigen Karriere. Und diese Freude über ein gelungenes Konzert und die Ovationen des Publikums erscheint wieder völlig ungekünstelt am Konzertende und wird mit Zugaben belohnt.
Und was sieht der Musiker, wenn er ins Publikum blickt? Das sei ein anderes Thema.

(Ein Beitrag zu Peter Rüedis „Ästhetik des Beiläufigen“)

Klaus Gohlke

Arild Andersen Trio

LOT-Theater, Kaffeetwete 4a, 38100 Braunschweig

Arild Andersen – Kontrabass
Tommy Smith – Saxofon
Thomas Strønen – Schlagzeug

Im letzten Jahr war der in den USA lebende britische Jazz-Bassist Dave Holland mit seinem Trio bei uns zu Gast und spielte ein eindrucksvolles Konzert. Im Herbst dieses Jahres nun präsentieren wir wiederum einen großartigen Bassisten, keinen geringeren als „One of Europe’s leading bassplayer“ (all about Jazz), den Norweger Arild Andersen. Auch er im Trio-Format, auch wieder im Braunschweiger LOT-Theater.
Andersen ist ein Meister des vollendeten Tons. Technisch perfekt, unangestrengt und makellos elegant fließen seine Basstöne, gerne elektronisch angereichert mit einem Electro Harmonix Delay. „It’s about sound – and that is in your mind, as well as in your fingers!“, wie er im Gespräch bekannte.

Seine eigene Stimme fand Andersen früh in den 70er Jahren im Zusammenspiel mit den Größen der improvisierten Musik wie Stan Getz, Sonny Rollins, Dexter Gordon, Chick Corea, Paul Bley, um nur einige zu nennen. Aber anders gewichtend als Dave Holland – erweiterte Andersen die damals dominierende US-amerikanische Tonsprache um spezifische europäische musikhistorische Traditionen und ethnomusikalische Vielfalt.
„Jazz muss nicht mehr nach dem amerikanischen Reinheitsgebot gespielt werden. Die Ursprünge des Jazz in Amerika sind immer noch spannend, die amerikanischen Meister grandios, aber Jazz steht für Freiheit, sich musikalisch neue Wege, neue Ausdrucksformen zu suchen!“, so Andersens Credo.

Ergebnis war das umwerfende Arild Andersen Quartet mit Jon Christensen, Nils Petter Molvær, Jon Balke und Tore Brunborg, das die europäische Jazzmusik viele Jahre beeinflusste. Gleichzeitg erschloss Andersen aber auch Querverbindungen zwischen traditioneller norwegischer Folkmusik und modalem Jazz, die er orchestral ausbaute. Immer wieder aber – darin Dave Holland sehr ähnlich – zieht es ihn zu Jazz-Kleinformaten, besonders dem Trio. Ob mit Ralph Towner und Nana Vasconcelos; mit Markus Stockhausen und Patrice Heral oder jetzt wieder und hier in Braunschweig mit Tommy Smith (sax) und Thomas Strønen (dr).

Was ihn an diesem Trio reizt, umreißt Andersen so: „Die gemeinsame Klangsprache, eine treibende Energie, die sich immer wieder eigene künstlerisch zutiefst befriedigende Wege bahnt.“

Andersen nennt Tommy Smith einen der besten Saxofonisten der Welt, der wohl nur deshalb nicht im Rampenlicht der Jazzwelt steht, weil er ein absoluter Teamplayer ist (u.a. mit Gary Burton, Chick Corea und John Scofield).

Thomas Strønen (1972) ist ein norwegischer Jazz-Schlagzeuger und Komponist, der an über 60 Alben mitgewirkt hat. Er hat mit international bekannten Künstlern weltweit zusammengearbeitet wie Iain Ballamy, Arve Henriksen, Mats Eilertsen,Eivind Aarset, Nils Petter Molvaer, Bob Stenson, John Taylor,Sidsel Endresen, Bugge Wesseltoft, Tomasz Stanko und Ernst Reijsegger.

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Karten:

Eintritt: Abendkasse 25 € / 22 € (ermäßigt) / 10 € (SchülerInnen)

Mit freundlicher Unterstützung:
eck*cellent IT GmbH
Kulturinstitut der Stadt Braunschweig

Interview mit Arild Andersen

Feine Klangsprache, famose Energie
Ein Interview mit dem norwegischen Bassisten Arild Andersen

Gute Nachrichten für die Braunschweiger Jazzfreunde! Nach Dave Holland im letzten Jahr kommt wiederum ein herausragender Jazzbassist ins Braunschweiger LOT-Theater: der Norweger Arild Andersen mit seinem Trio. Klaus Gohlke telefonierte mit dem in Oslo lebenden Bassisten.

Arild, du bist jetzt einundsiebzig Jahre alt. Immer noch die große Lust auf Tour zu gehen?

Ja, durchaus. Konzerte spielen ist etwas Unersetzbares im Leben. Nur die Flughafen-Checkerei nervt immer mehr, zumal mit dem dicken Instrument.

Warum spielst du nicht den handlicheren E-Bass?

Ich hab das ja auch eine Zeitlang gemacht. Aber dann hörte ich Jaco Pastorius (einer der einflussreichsten E-Bassisten, der das Bass-Spiel musikalisch revolutionierte. K.G.). Seine Technik auf dem Instrument war überwältigend, unerreichbar. Also konzentrierte ich mich auf den Kontrabass. Jacos musikalisches Verständnis aber, was die Rolle des Basses im Zusammenspiel betrifft, sein melodisches Verständnis, das teile ich voll und ganz.

Du hast mit den ganz Großen des US-amerikanischen Jazz zusammengespielt. Du wolltest aber nicht wie etwa Dave Holland in New York bleiben.

Es gibt einen großen Unterschied zwischen amerikanischem und europäischem Jazzmusizieren. In Amerika ist die Band in der Regel um einen Star, der der Boss ist, geschart. Top-Down. Ich habe ja gelernt bei den Großen des amerikanischen Jazz: Sonny Rollins, Dexter Gordon, Chick Corea. Wenn du mit Dexter auf der Bühne standest, rief er plötzlich mitten im Song: „Next „Cherokee“ und dann musstest du das drauf haben, keine Absprache vorher, er war der Boss. Der europäische Jazz zeichnet sich durch ein demokratischeres, gleichberechtigteres Zusammenspiel aus. Es ist ein gemeinsames Herausarbeiten musikalischer Ideen, die eine klangliche Identität einer Band entstehen lässt. Die Basis des amerikanischen Jazz ist der Blues. Hier in Europa spielen darüber hinaus immer mehr eigene musikalische Traditionen eine Rolle, aber auch die zeitgenössische Kunstmusik.

Bei norwegischem Jazz denken viele Jazzfreunde an einen speziellen skandinavischen Sound: Klare, kühle Töne, die Landschaftsbilder evozieren, sehr melodiös.

Du meinst diesen spacigen Sound mit viel Reverb, also den Jan Garbarek-Klang der 70er Jahre? Das war eine Zeitlang sehr angesagt. Damit habe ich es nicht so sehr. Ich knüpfe an am traditionellen Jazz. Aber ich bin beeinflusst sowohl von der schönen Schlichtheit der norwegischen Folklore, wie ich auch zurückgreife auf die Abstraktionen zeitgenössischer Neuer Musik. Ich habe ja auch spirituelle Musik geschrieben und Film-und Theatermusiken.

Wenn du auf deine Jazzgeschichte blickst: gibt es da einschneidende Veränderungen?

Durchaus. Zwei zentrale Einschnitte sehe ich. Miles Davis‘ Album „Bitches Brew“ war der Bruch schlechthin. Weg von aller Swing-Ästhetik. Dafür elektrischer Jazz-Rock. Rhythmisch völlig anders gedacht, eine eigenartige Offenheit. Die andere zentrale Veränderung ist die jetzt gängige Verwendung ungerader Rhythmen. Das gab es auch schon früher, etwa bei Brubeck. Aber jetzt sind die komplexen Rhythmen nahezu üblich. Mich interessiert das nicht so sehr.

Wo warst du eigentlich musikalisch als junger Mann, damals als es z.B. die Stones- und Beatles-Debatten bei den Fans gab?

Beatles? Wunderbare Melodien. Und die Rolling Stones habe ich auch im Konzert kennengelernt. Aber erst viel später. Was Gitarrenmusik angeht, so fand ich Charlie Christian stark. Ansonsten Miles Davis, Herbie Hancock. Den Bassisten Gary Peacock oder Stan Getz am Saxofon. Ich war also etwas anders orientiert als die meisten Jugendlichen damals.

Was können wir dann bei deinem Konzert in Braunschweig erwarten?

Eine sehr abwechslungsreiche, durchaus auch melodische Musik. Eine feine Klangsprache, famose Energie und ab und an Herzschmerz.

Klaus Gohlke

Julian & Roman Wasserfuhr Quartett

Julian Wasserfuhr – Trompete
Roman Wasserfuhr – Piano
Oliver Rehmann – Schlagzeug
Markus Schieferdecker – Bass

Schon als Teenager galt Julian Wasserfuhr als größtes deutsches Ausnahmetalent an der Trompete seit Till Brönner. Zusammen mit seinem Bruder Roman am Klavier bildet er ein unzertrennliches Paar. Ihre (Seelen-)Verwandtschaft kommt dem gemeinsamen Spiel zugute. Die Vertrautheit der Brüder verleiht der Musik einen entspannten und unangestrengten Charakter. Ob mit Trompete oder Flügelhorn, Julian ist kein Vertreter der Höher-Schneller-Weiter-Fraktion. Mit seinem warmen Ton schafft er atmosphärische Klangräume. Sein Bruder Roman ist mit seinem akzentuiert-strahlenden Klavierspiel an dem frischen, aber dennoch ausgereiften und luftigen Sound der Band nicht minder beteiligt.

Nach ihrem hochbeachteten Debüt „Remember Chet“, das die beiden als Teenager aufgenommen haben, starteten sie in der deutschen Jazzlandschaft durch. Bald schon spielten sie mit Größen wie Nils Landgren, Lars Danielsson oder Wolfgang Haffner zusammen und fanden zugleich immer mehr zu einem eigenen, charakteristischen, melodisch-atmosphärischen „Wasserfuhr-Sound“:

„Ich mag den Mut zur Einfachheit, den die beiden besitzen. Das muss man sich trauen. Zu bewundern ist dann das Gegenteil von “Angeber–Jazz“, bringt es der Schauspieler Matthias Brandt es auf den Punkt.

Der Titel des neuen Albums, das das Wasserfuhr-Quartett in Braunschweig vorstellen wird, „Landed In Brooklyn““ (ACT/edel), ist augenzwinkernd gemeint: Zwei Jazz-Youngsters aus der deutschen Provinz haben sich auf den Weg über den Atlantik gemacht, um in der Metropole New York ein Album mit US-Jazzgrößen aufzunehmen. „Für uns als Musiker ist es immer das Wichtigste, nicht stehen zu bleiben. Ständig sucht man nach Inspiration, um sich weiterzuentwickeln.“

Ergebnis ist eine Musik, die Ohren verwöhnt und Herzen anspricht. Die sensibel gespielten Songs wirken wie Balsam für die Seele, umschmeicheln, ohne dabei in irgendeiner Form seicht zu klingen.

“Landed in Brooklyn“ erzählt von der Stadt und seinen Musikern. Ein atmosphärisch dichter Mainstream-Jazz ist entstanden, der Bilder im Kopf hervorruft. Emotionen werden transportiert. Das Album ist zupackender und, im besten Sinne des Wortes, verspielter geworden, swingender, schlussendlich amerikanischer als seine Vorgänger, aber ohne den typischen Wasserfuhr-Sound zu verlieren.

Unterstützt werden die Wasserfuhr-Brüder durch Oliver Rehmann am Schlagzeug und Markus Schieferdecker am Bass. Absolut nachgefragte Rhythmiker, die aber nicht nur Sidemen sind, sondern produktiv-herausfordernd dazu beitragen, dass der Quartett-Klang eine abgerundete Tiefe erhält.

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Karten:

Eintritt: Abendkasse 20 € / 18 € (ermäßigt) / 10 € (SchülerInnen)

Mit freundlicher Unterstützung:
Kulturinstitut der Stadt Braunschweig

Kritik zu “Philipp Brämswig Trio”

Entspannte Raffinesse
Das Trio des Kölner Gitarristen Philipp-Brämswig beeindruckt mit zeitgenössischem Jazz

„Ich bin Fingerstyler und keineswegs jazz-affin, aber das war gut! Danke für den tollen Abend!“ Kritische Distanz, Respekt, Begeisterungsfähigkeit und Offenheit für Unbekanntes spricht aus diesem Kommentar eines Gitarrenpraktikers. Der nahezu ideale Konzertbesucher, fern von Fan-Gehabe.

Und was er hörte, das war ein Konzert des Kölner Gitarristen Philipp Brämswig, der mit seinem Trio am Freitagabend im Braunschweiger Lindenhof auftrat. Gespielt wurde Jazzmusik mit rockigem Einschlag. Ungebunden, was die Stilistik betraf. Vom Kontext her eher us-amerikanisch geprägt. Das betrifft zum einen Brämswigs Gitarrenvorbilder, vor allem Wayne Krantz, John Scofield, Pat Metheny. Aber auch die Präsentation des Trios, bei der der Gitarrist deutlich im Zentrum des Geschehens steht.

Vor allem Fabian Arends am Schlagzeug, aber auch Florian Rynkowski am E-Bass übernahmen eher die grundierenden Aufgaben, was nicht gering zu schätzen ist. Das Zusammenspiel zu strukturieren, Akzente zu setzen, auch Widerpart zu sein, bedarf tiefen Verständnisses der kompositorischen Absichten und geistesgegenwärtiges Reagieren im Miteinander. Arends und Rynkowski waren da die denkbare beste Wahl.

Denn Brämswig forderte sie gehörig mit seinem variantenreichen Saitenspiel. Mal im freieren Duktus zwischen mäandernden spacig-disparaten Klängen und rasanten rockigen Ausbrüchen („Anger Management“). Dann wieder eher durchkomponiertes, an einen Altmeister der Jazzgitarre wie Jim Hall erinnerndes Fingerpicking, das plötzlich in ein dichtes fusionartiges Geflecht überführt wurde („Prisma“). Die Übergänge zwischen rasantem Einzelsaitenspiel und differenzierter Akkordarbeit sind elegant, Griff- und Anschlagstechnik virtuos. Alles ist frei von Effekthascherei. Das gilt im Übrigen auch für den Einsatz elektronischer Mittel, der völlig funktional erfolgt und auch bei affekt-geladenen Ausbrüchen nicht ins Lärmende abdriftet.

Es ist verblüffend, mit welcher Raffinesse, Sicherheit und Entspanntheit die drei der jungen Kölner Jazzszene zuzuordnenden Musiker miteinander kommunizieren. Kein Wunder, dass das Trio unlängst den zweiten Preis im Finale des Neuen Deutschen Jazzpreises gewonnen hat. Und eben auch kein Wunder ob des lang anhaltendenden Beifalls eines sehr sachkundigen Publikums.

Klaus Gohlke

Philipp Brämswig Trio

Philipp Brämswig – Gitarre
Fabian Arends – Schlagzeug
Florian Rynkowski – Bass

Moers 2016. Das Kölner „Subway Jazz Orchestra“ spielt. Eine Bigband mit den üblichen Solo-Parts. Ein junger Gitarrist steht auf und legt los. Phänomenal. Alle Gitarren-Idiome sind ihm geläufig. Noch beeindruckender sein Interplay bei den morgendlichen Sessions: einfühlsam, vorantreibend, melodieorientiert, abstrakt. Er tanzte beeindruckend „auf allen Hochzeiten“.

Es geht um den Kölner Gitarristen Philipp Brämswig. Ein junger Mann mit „Top Talent Stipendium“, Studien in New York bei Wayne Krantz und Dave Liebman. Begleiter u.a. von Charlie Mariano, Richie Beirach, Bob Mintzer.

Die Gründung einer eigenen Band war die logische Konsequenz. Ein Trio, zusammen mit Fabian Arends am Schlagzeug und Florian Rynkowski am Bass. Alles junge gefragte Musiker der Kölner Szene.

Beeindruckend ist Brämswigs zupackendes und zugleich durchdachtes Gitarrenspiel. Im Trio mit Florian Rynkowski am elektrischen Bass und Drummer Fabian Arends, dessen Spiel erkennen lässt, dass er bei Jonas Burgwinkel in die Schule gegangen ist, hat Brämswig einen traumhaft eingespielten Klangkörper geformt, der vertrackte Rhythmen so furios wie mühelos durchforstet. Balladeske Figuren, für deren Gestaltung Brämswig das Plektrum aus der Hand legt, spielen die drei Musiker ebenso perfekt aufeinander bezogen wie die rockigen Gebilde, die sie mit Fusionsounds überziehen. Kein Wunder, dass dem Liner-Notes-Verfasser Bill Milkowski zu Brämswigs Trio an einer Stelle Methenys berühmtes Trio mit Jaco Pastorius und Bob Moses einfällt.

Das Trio präsentiert seine aktuelle, vom Deutschlandfunk geförderte und von der Fachpresse sehr lobend aufgenommene CD „Molecular Soul“. Auf dieser schaffen sie Klangwelten jenseits von Stilgrenzen und erfreuen sich und ihre Zuhörer an ihrem berauschenden Zusammenspiel. Neben einer natürlichen Virtuosität ist vor allem die mal einfühlsame, mal zupackende Interaktion zum Markenzeichen der Band geworden.Die Kompostionen des Bandleaders sind Schmelztiegel verschiedenster musikalischer Einflüsse und vereinen Intellekt und Groove.

Neuester Höhepunkt der Wertschätzung ihrer Musik: Nominierung für das Finale des Neuen Deutschen Jazzpreises in Mannheim 2017.

Willkommen in Braunschweig.

Karten:

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Eintritt: Abendkasse 20 € / 18 € (ermäßigt) / 10 € (SchülerInnen)

Mit freundlicher Unterstützung:
Kulturinstitut der Stadt Braunschweig

Jazz und Film in der Reihe “Sound on Screen” – MILES AHEAD

Universum Filmtheater, Neue Straße 8, 38100 Braunschweig

MILES AHEAD
Regie: Don Cheadle, USA 2015, 100 Min., OmU


„Ich denke, ich habe die Musik fünf oder sechs Mal neu erfunden“, so Miles Davis selbstbewusst und das war nicht mal gelogen. Marvel-Star Don Cheadle als Haupdarsteller und Regisseur nähert sich dem legendären Jazz-Trompeter und konzentriert sich auf die dunkle Zeit zwischen 1975-80. „Cheadle ist saucool!“ so der Rolling Stone. Mit Don Cheadle, Ewan McGregor, Michael Stuhlbarg, ua.

Featured by Initiative Jazz Braunschweig!

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ANSCHLIESSEND
Ausstellungseröffnung im Riptide mit Jazz-Impressionen von Heinrich Römisch sowie Jazz-Konzert mit LAOKOON TRIO (Ireneusz Kułakowski, Flöte), Elmar Vibrans, Piano, Heinrich Römisch, Kontrabass).

NDR Bigband feat. Omar Sosa und Ernesto Simpson

LOT-Theater, Kaffeetwete 4a, 38100 Braunschweig

NDR-Bigband
feat. Omar Sosa (p) und Ernesto Simpson (dr)
Leitung: Geir Lysne

Seit über 40 Jahren ist die NDR-Bigband als Jazz-Orchester eine Instanz. Entstanden aus den Wurzeln eines reinen Rundfunk-Ensembles, hat sie sich seit den 70er Jahren zu einer Band entwickelt, die nicht nur ein umfassendes Jazz-Repertoire bedient, sondern auch eigene Impulse setzt, Genregrenzen erweitert, mit Weltstars auftritt und diese zu Konzerten in alle Ecken Norddeutschlands holt.

In diesem Jahr präsentiert die Bigband unter der neuen Leitung des norwegischen Saxofonisten und Komponisten Geir Lysne den in Barcelona lebenden kubanischen Pianisten Omar Sosa sowie Ernesto Simpson als Unterstützer am Schlagzeug.

Omar Sosas Musik weist eine große stilistische Bandbreite auf und ist von vielfältigen Einflüssen geprägt. Auf einem Fundament des Latin Jazz und afrokubanischer Rhythmen verarbeitet er nordafrikanische traditionelle Musik. Seine Musik betrachtet er als Ausdruck seines politischen und spirituellen Bewusstseins. In seinem Projekt „es:sensual“ mit der NDR-Bigband will er die verschiedenen Seiten seiner Persönlichkeit zusammenführen, getrieben von der unstillbaren Lust, immer wieder Neues zu versuchen.

Zur Aufführung gelangen Kompositionen, die von dem brasilianischen Cellisten Jaques Morelenbaum arrangiert wurden. Sosa erklärt: “Ich will meine afro-kubanische Seite zeigen, aber auch meine elektronische. Ich bin kein Jazzpianist, ich spiele keinen Bebop oder Swing. Jazz ist meine Philosophie: Es ist die einzige Musik, in der auch andere Musiken ihren Platz haben. Es soll eine aufregende Reise mit der NDR-Bigband werden. Die Band selbst und ihr Farbenreichtum sollen in den Vordergrund rücken. Farben, die man im Gedächtnis behält! Blumen, Vögel, Sonne. Kraftvolle Musik, aber ohne dabei Muskeln spielen zu lassen.“ Der kubanische für den Grammy nominierte Schlagzeuger Ernesto Simpson wird ihn dabei tatkräftig unterstützen.

Karten:

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Eintritt: Abendkasse 25 € / 22 € (ermäßigt) / 10 € (SchülerInnen)

Mit freundlicher Unterstützung:
Kulturinstitut der Stadt Braunschweig

Kritik zu “NDR Bigband feat. Omar Sosa und Ernesto Simpson”

Herrliches afrikanisch-karibisches Gebräu
Die NDR-Bigband spielte unwiderstehlich im Braunschweiger LOT-Theater

Jazzkonzert im LOT Braunschweig genau zur Wochenmitte und dann ausverkauft? Schwer vorstellbar, aber Tatsache. Doch recht eigentlich überhaupt kein Wunder. Denn der musikalische Lockstoff war die NDR-Bigband unter der Leitung des Norwegers Geir Lysne. An sich schon ein Zugpferd. Aber insofern sie mit drei Special Guests ein respektables kubanisches Upgrade bot, stieg die Anziehungskraft um ein Vielfaches. Omar Sosa am Piano und Keyboard, Ernesto Simpson an den Drums und der Bassist Omar Rodriguez Calvo spielten die Lockvögel.

Nun ist Omar Sosa schon als Erscheinung wundersam eindrucksvoll. Groß, schlaksig, in weiße mit ornamentaler Bestickung verzierte Tücher gehüllt. Weiß behütet, schrille Brille, Fußbänder, eine extrovertierter Showman. Oft die Beine weit gespreizt: ein Fuß auf dem Klavierpedal, der andere auf dem Volumenregler des Keyboards. Die Rhythmen mitsprechend, Soli mimisch-gestisch lebhaft begleitend: ein echter Hingucker.

Was er aber mitsamt der Band an musikalischer Substanz ablieferte, ließ das Optische nahezu vergessen. Man müsste schon ein hochqualifizierter Genre-Spezialist sein, um genau sagen zu können, was da jeweils in welchem Moment afrikanisch, kubanisch, brasilianisch, was Cha-Cha-Cha, Merengue, Mambo oder Samba war. Aber nicht nur das: auch europäische Klassik, Folkrückgriffe und Modern Jazz-Elemente wurden mühelos integriert und zu einem mal wilden, mal melancholisch balladesken Gebräu zusammengeführt.

Mitunter regelrecht aufschreckend, wenn die Posaunengruppe rhythmisch auf einem völlig anderen Gleis zu fahren schien! Oder aber die Trompeter plötzlich so dissonant spielten, dass man aufs erste Hören auf vertauschte Notenblätter schloss.

Wunderbar die Idee, nach der Pause zunächst Sosa und Simpson mit „Muovente“ stimmungsvoll allein auftreten zu lassen. Um dann – ergänzt um Calvo und den Perkussionisten Marcio Doctor – nahezu herzschmelzend „Alma“ zu zelebrieren, das die bei uns als „Guantanamera“ bekannte Melodie entfaltete. Zunächst sanft, dann verfremdeter mit sehr gewagten Übergängen bei den Akkordverbindungen.

Schön war, dass Sosa seinerseits den Solisten der Bigband Raum für ihre musikalischen Ideen ließ und so nie das Gefühl eines künstlerischen Gefälles entstehen ließ. Allerdings: Dafür sind die (ausschließlich) Männer aber auch zu gut!

Schließlich: Dass das Konzert so mitreißend war, lag nicht zuletzt an den wunderbaren Arrangements, die der brasilianische Cellist Jaques Morelenbaum für die Sosa-Kompositionen ersann.

Zum Schluss, völlig klar, stehende Ovationen!

Klaus Gohlke

Interview mit Jakob Bro

Eine Jazz-Super-Group gastiert am 23. April im Braunschweiger LOT. Der dänische Ausnahme-Gitarrist Jakob Bro hat eine der heißesten Rhythmusgruppen um sich geschart: Thomas Morgan am Bass und Joey Baron am Schlagzeug spielen alles und überall auf der Welt. Was die Braunschweiger Jazzfans erwartet, erkundete unser Mitarbeiter Klaus Gohlke im Telefon – Interview mit dem Kopenhagener Musiker.

Jakob, ihr habt beim Edel-Label ECM zwei CDs eingespielt. Ihr tourt erfolgreich durch die Welt. Was fasziniert die Leute an eurer Musik?

Das sind zwei Dinge, die miteinander zusammen hängen. Zum einen schreibe ich gern kleine, einfache Melodien. Einfach heißt nicht oberflächlich und banal. Mir liegt daran, dass die Zuhörer sich in den Melodien zurecht- und wiederfinden können. Andererseits meint einfach, dass meine beiden Mitspieler Raum genug finden, auf vielfältigste Weise kreativ mit diesen Melodien umzugehen. Es geht also um Offenheit.

Mir scheint, dass deine Musik aber auch große Zeithorizonte eröffnet. Entschleunigst du die Musik absichtlich?

Das ist kein Programm. Aber es stimmt schon. Klänge und Stimmungen brauchen Zeit, sich entfalten zu können. Sowohl wir als Musiker, aber genauso die Zuhörer müssen Zeit haben, den entstehenden Eindrücken nachgehen zu können. Das widerspricht durchaus dem Zeitgeist, der von Hektik geprägt ist.

Könnte man dich als Ton-Maler bezeichnen, als musikalischen Impressionisten?

Ja, das ist ein schönes Bild. Aber ich bin das nicht im strengen Sinne des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Ich liebe schon tonale und rhythmische Offenheit. Es geht mir um Klangfarben, die wir erzeugen und variieren können. Um vielfältige musikalische Einflüsse. Aber immer orientiert an Melodien.

Die Jazzliebhaber sagen oftmals über deine Musik: „Ja, sehr schön. Aber ist das Jazz?“

Ich denke über so etwas nicht nach. Mein Vater brachte mir die Bigband-Musik nahe. Ich selbst war beeindruckt vor allem von Trompetern und Saxofonisten. Armstrong, später Tomasz Stanko, Jan Garbarek. Die Rhythmiker inspirierten mich. Ich höre Klassik, Rock. Eben gute Musik. Ich liebe Kreativität, Spannung und Aufregendes. Es gibt keine Vorgaben, stattdessen einen freien Ansatz. Das ist für mich Jazz. Die Schublade interessiert mich nicht.

Ihr habt im April/ Mai 18 Konzerte in 18 Tagen. die finden in England, Deutschland, Ungarn, Dänemark, Österreich und der Schweiz statt. Einer Woche später fliegt ihr nach Japan. Wie stehst du das durch?

Das geht nur mit so wunderbaren Musikern, wie es Joey und Thomas sind. Und mit einem einfühlsamen Publikum, wie wir es immer wieder erleben. Ich denke, das wird auch in Braunschweig so sein.

Das Jakob-Bro-Trio spielt am 23. April 2017 im LOT-Theater Braunschweig, Kaffeetwete 4a um 20 Uhr. Vorkauf an den üblichen Vorverkaufsstellen und über Eventim im Internet. Abendkasse: 25/22/10 Euro.

Jakob Bro Trio

LOT-Theater, Kaffeetwete 4a, 38100 Braunschweig

Jakob Bro – Gitarren
Joey Baron – Schlagzeug
Thomas Morgan – Bass

Jakob Bro TrioWäre der Begriff nicht so belastet, könnte man das Jakob Bro Trio eine kleine Supergroup nennen. Jakob Bro, Top-Gitarrist aus Dänemark (Composer of the Year und Album of the Year 2016), Joey Baron, US-Multi-Stilist an den Drums, bekannt vor allem durch seine Zusammenarbeit mit John Zorn und Bill Frisell, und dann noch Thomas Morgan, Bassist, als Modern Creative unterwegs mit allem, was Rang und Namen hat.
Bro wird gern als “Aquarellist mit der Gitarre” bezeichnet. Das bezieht sich auf die von ihm entworfenen nahezu schwebend wirkenden Klanglandschaften. Die klaren, lang anhaltenden, vor allem mit Delay-Effekten angereicherten Gitarrenlinien, die sich auf das Melodische rückbesinnen. Es ist in gewisser Weise skandinavischer Jazz: Die Musik kennt überwiegend keine Eile, wirkt sphärisch, ist aber überhaupt nicht kühl, eher melancholisch-reflektierend. Sie verschafft der Zuhörerin, dem Zuhörer ungemein viel Reflexions- und Gefühlsräume. Dass es mitunter aber auch ganz anders zugehen kann, sei nicht verschwiegen.
“Ich sehe Musik als ein Ganzes”, sagt Bro über seinen musikalischen Ansatz. “Nicht als Bühne für solistische Akrobatik. Jeder in der Gruppe muss die gleiche Verantwortlichkeit beim Spielen erhalten. Ich genieße es, wenn ich Stimmungen und gewisse Strukturen entwerfe und wir dann zusammen auf Entdeckungsreise gehen. Also keine festen Vorgaben von mir. Vielmehr möchte ich, dass Joey und Thomas auf ihre Ideen und Intuition vertrauen und die Musik in nicht vorher zu erwartende Richtungen lenken. So passiert immer wieder Neues, die Musik geht ihren Weg. Sie strömt. Deshalb ist der Titel unserer letzten ECM-Einspielung 2016 folgerichtig: “Streams”.”
Folgen wir also den Strömen.

Karten:

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Eintritt: Abendkasse 25 € / 22 € (ermäßigt) / 10 € (SchülerInnen)

Mit freundlicher Unterstützung:
Braunschweigische Sparkassenstiftung
Kulturinstitut der Stadt Braunschweig

Kritik zu “Jakob Bro Trio”

Nahezu unverschämt wohlklingende Musik
Das Jakob Bro Trio beeindruckt mit Horizont erweiterndem, zeitgenössischen Jazz

„Was für ein außergewöhnliches Konzert!“, äußerte sich eine Besucherin höchst zufrieden. Was den allgemeinen Eindruck treffend wiedergab. Allerdings fiel auch die eher entrüstete Aussage, dass das doch wohl kein Jazz gewesen sei.
Als wüsste irgendjemand zu sagen, was Jazz ist! Man kann höchstens in Anlehnung an Ludwig Wittgenstein sagen: „Jazz ist alles, was der Fall ist!“ Aber, nichts für ungut. Es lohnt
schon, gerade für den Skeptiker, darüber nachzusinnen, was denn das Außergewöhnliche des gut besuchten Konzerts des Jakob Bro Trios am Sonntagabend im Braunschweiger LOT-Theater gewesen sein könnte.
Mit „Gefion“ eröffnet Bro das Konzert. Gefion, die Asenjungfrau, Beschützerin der Jungfrauen, rein wie der Morgentau. So auch das Gitarrenintro: ein durchgehender Schwebeton im Hintergrund. Darauf Tontupfer, Flageoletts, später perlende Tonfolgen in den höheren Lagen. Hier und da etwas Beckenblech, ein Trommelschlag.
Dann klinkt sich der Bass ein. Grundtöne betonend, erst später sich lösend, um die Tonfolge, die sich verdichtet, zu umspielen, zu grundieren, zu akzentuieren.
Das alles in größter Ruhe ausgebreitet, nur minimal variiert, Geduld einfordernd. Welch ein Wohlklang, den Bro erst spät und ganz sparsam zu brechen beginnt. Auch die folgende Komposition „Copenhagen“ verharrt im Gestus ruhigen Dahinfließens. Die Musik taucht wie aus einer Tiefe heraus auf, wird immer erkennbarer und versinkt wieder. Man hat Zeit, sich Bilder zur Musik vorzustellen.

Natürlich gibt es auch mal eine Uptempo-Nummer mit rasantem Bass-Intro, angezerrten Gitarrenriffs und Solopassagen, sowie explosive Schlagzeugausbrüche. Das sind notwendige Ingredienzien, um die melodisch gesinnte, harmonisch fundierte und beharrliche von langbogigen Steigerungsdramaturgien geprägte strenge Variationsästhetik umso deutlicher hervor heben zu können. Meisterlich dargeboten mit „Heroines“.

Und damit sind wir schon bei der Antwort auf die Frage nach dem Besonderen dieses Konzertes. Melodische und rhythmische Muster werden von Bro, ohne den klanglichen Grundeindruck, den Sound insgesamt zu durchbrechen, immer wieder minimal verändert. Und dafür bedient er sich notwendigerweise der Tonschichtungen mittels der Looptechnik und der extensiven Delays. Das ist kein modischer Schnickschnack. Um der Gefahr eines gewissen Schematismus zu entgehen, werden Thomas Morgan am Kontrabass und Joey Baron am Schlagzeug zu eigenwilligen handlungstragenden, gestaltenden Subjekten.
Baron schien lange Zeit demonstrieren zu wollen, dass die Bezeichnung Schlag-Zeuger absurd ist. Er schlug nicht. Er streichelte Becken und Felle, arbeitete mit Besen, Fellschlägeln, Light Rods; erst im vierten Stück des ersten Sets verwendete er die üblichen Sticks. Es gab nicht das durchlaufende Hi-Hat-Spiel, nicht den Bassdrum-Dauerpuls. Er akzentuierte transparent und mitunter koboldhaft dazwischenfahrend.
Und Thomas Morgans Bassspiel war von einer ganz erstaunlichen Varianz. Auf nahezu unverschämte Weise vermochte er dem Schönklang noch mehr Tiefe zu verleihen, um dann aber immer wieder ganz eigenwillig zu interpunktieren. Wie er in diesen Soundlandschaften unverdrossen Strukturen einzog und den Kontext nicht aus den Augen verlor, war stupend.

War das nun dänisch-nordischer oder europäischer Jazz? Mitnichten oder Jein, wie man will. Die scheinbare Folksongbasierung und die Melodieverliebtheit einiger Kompositionen – hat sie nicht ihre Vorläufer z.B. in Pat Methenys Album „80/81“ oder beim Album „Folksongs“ des Charlie Haden Trios? Kann man in „Gefion“ nicht Country & Western-Klänge heraushören, was einen feinen Humor erkennen ließe?

Bro ist Kind dieser Zeit. Er kennt die Traditionen und weiß um zukünftige Entwicklungen im Bereich der Electronica. Wobei allerdings der Einstieg ins tonal nicht recht zu verortende „Sisimuit“ eher verwirrte. Was zunächst nach einer Störung des Effektgerätes sich anhörte, geriet dann doch von einem zunächst auf disparaten Wegen verlaufenden, aber dann zu einem von vielschichtigen Überlagerungen gekennzeichneten komplexen Stück.

Das Trio spielte eine Variante zeitgenössischer Jazzmusik. Wie und was auch immer: Improvisation, das Offene, das Unerwartbare macht den Reiz des Jazz aus. Und fordert vom Zuhörer das Gleiche. Große Begeisterung zum Schluss des Konzertes.

Klaus Gohlke

Duncan Eagles “Partikel” Quartett

Duncan Eagles – sax, effects
Eric Ford – dr
Max Luthert – b, electronics
David Preston – g

Duncan Eagles Partikel QuartettEs ist fast 25 Jahre her, dass eine Band aus England bei Jazz-BS auftrat. Dabei herrschen auf der Insel – wenn man den Berichterstattern Glauben schenken darf – beneidenswerte Zustände. Zwar ist Jazz kein Massenphänomen, erfährt aber doch breiteren Zuspruch, und zwar gerade bei jüngeren Menschen. Ursache? Sicherlich der sehr ungezwungene Umgang mit Traditionen, Genres, musikalischen und subkulturellen Einflüssen aller Art dort.

Eine Band, die das lebt, ist PARTIKEL aus London. Eigentlich ein Trio des Saxofonisten Duncan Eagles, das diesmal um den Gitarristen David Preston erweitert auftritt.

PARTIKEL gilt als eine der besten Jazzgruppen der Insel, die eine hervorragende Mixtur aus Jazz, klassischen Bezügen und elektronischen Elementen zu einem organischen, homogenen Ganzen verschmelzen. Wie variabel der Ansatz der Band ist, zeigt sich allein schon in der Verschiedenartigkeit der Besetzung. Mal klassisches Sax-Trio, dann als streichergestütztes Oktett, nunmehr als Quartett, das einen Gitarristen als Melodiker und Harmoniker dazu holt. Je nach musikalischem Erkundungsinteresse wechselt die Formation und damit das Terrain, auf dem man sich bewegt.

Gleich bleibt aber der kraftvolle, dichte Sound der Band und das an der Melodie interessierte Abtauchen in so unterschiedliche musikalische Welten wie Bop, Weltmusik, Rock und Neue Musik.

“England swings like a pendulum do! “, sang Roger Miller 1965. Immer noch? “Ja, durchaus!”, sagt Duncan Eagles auf Nachfrage. “Ein bisschen anders als damals natürlich. Für mich entsteht ein Swing-Gefühl, wenn die Musik ehrlich, leidenschaftlich und mit klarer Intention gespielt wird.“ Wir dürfen gespannt sein.

Karten:

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Eintritt: Abendkasse 20 € / 18 € (ermäßigt) / 10 € (SchülerInnen)

Mit freundlicher Unterstützung:
Braunschweigische Sparkassenstiftung
Kulturinstitut der Stadt Braunschweig

Kritik zu “Duncan Eagles „Partikel“ Quartett”

Völlig angstfreier Jazz
Duncan Eagles „Partikel“ beeindrucken mit zeitgenössischer britischer Musik

England? Nun, was fällt Ihnen dazu spontan ein? Genau: Brexit, Terror, Finanzplatz. Na klar, auch Fußball! Also Klopp, Özil, Mourinho, Guardiola. Ziemlich englisch, was? Aber „Swinging London“, also Aufbruch, Jugendkultur, weltweiter Impulsgeber, das doch wohl kaum?

Duncan Eagles, Londoner Jazzmusiker, der Freitagabend auf Einladung der Braunschweiger Jazzinitiative im Lindenhof konzertierte, gibt sich diplomatisch zurückhaltend auf entsprechende Nachfrage. „Doch, ich denke schon, dass England immer noch swingt. Jedenfalls, was den Jazz betrifft. Nur, ein klein wenig anders!“

Und sie ließen es swingen, aber in einem sehr, sehr übertragenen, mit traditioneller Swingmusik nicht zu verwechselnden Sinn. Es war Gegenwartsjazz, der Angst vor gar nichts hat. Genre-Rück- und Übergriffe durchziehen die Kompositionen. Stilelemente des Blues, des Prog-Rocks werden ebenso verwendet, wie man Anspielungen auf klassische Musik angedeutet findet. Man bewegt sich mal in der Second-Line einer New-Orleans-Marching Band, dann wieder – unterstützt von Laptop-generierten impressionistischen Radiogeräuschen – im quirligen Gewusel einer chinesischen Großstadt. Mal Modern-Jazz, mal Electronica-Einsätze, die durch Hall-, Echo-, Harmonizer- und Sampling-Einsatz nahezu orchestrale Atmosphäre entstehen ließen.

Man könnte das nun als prinzipienloses Musizieren bewerten, aber das griffe zu kurz. Freilich: Der Jazzliebhaber, für den die Abfolge Thema – Improvisation – Thema mit erkennbarem Rückbezug auf harmonisch-melodische Strukturen das Maß aller Dinge ist, kann sich mit dieser Musik kaum anfreunden. Die Kompositionen aber haben es in sich. Der permanente Wechsel zwischen Gruppenzusammenspiel, Monologen und Dialogen, der mal soundorientiert ist, dann wieder völlig transparente Klänge herstellt, ist spannend.

Die Stücke haben absolut nachvollziehbare Strukturen. Oftmals werden Harmonien reduziert. Duncan Eagles am Tenorsaxofon konzentriert sich dabei auf zwei, drei Töne nur. Immer wieder leicht verändert, um dann im weiteren Verlauf diese komplex ins Offene auszuweiten. Seine Loop-Ausflüge waren allerdings nicht unbedingt vertiefend. Eric Ford, das Schlagzeug-Power-Pack, vermochte diese Spannungen präzise zu akzentuieren, Zurückhaltung war nicht unbedingt sein Ding. Wunderbar kontrastiv Max Luthert am Bass: Beinahe traditionell oft seine haltgebenden ostinaten Figuren und einfühlsamen Tiefton-Exkurse. Und David Preston an der Gitarre – er brauchte eine Weile des Sich-Aufwärmens und hätte mitunter schneller auf den Punkt kommen sollen – schuf hintergründige Klanglandschaften oder provozierte Eagles mit seinen Soli.

Das hatte alles Hand und Fuß und war sehr spannend. Folglich: man kann zu England nach diesem Konzert durchaus sehr Angenehmes assoziieren: spannende, scheuklappenfreie Jazzmusik. Deshalb zu Recht viel Beifall.

Klaus Gohlke

Kritik zu “Stephan-Max Wirth „Experience“ Quartett”

Jazz mit politischen Hintergedanken

Stephan-Max Wirths „Experience“ spielt im ausverkauften Braunschweiger Lindenhof Jazz mit politischen Hintergedanken

„Calling Europe!“ Ein Ruf nach dem und ein Aufruf für den europäischen Gedanken. Darum geht es dem Berliner Jazzer Stephan-Max Wirth und seinen drei niederländischen Mitstreitern mit ihrem neuen Album, das sie am Freitagabend in Braunschweig erstmals vorstellten. Ein Konzeptalbum also, dessen Stücke in einem thematischen Zusammenhang stehen? „Jein!“, sagt Wirth auf Nachfrage. „Es geht schon um ein Statement gegen Brexit, Geert Wilders, Marine Le Pen und diesen Spuk. Aber unsere Musik, die ja rein instrumental ist, liefert da keine unmittelbar politischen Botschaften!“

Womit er völlig Recht hat. Es gibt ja keine Texte, die sagen, was zu denken ist. Wie es beispielsweise bei Max Roachs „We insist! Freedom Now Suite!“ der Fall war. Dieser furiosen Attacke gegen den Rassismus in den USA. Nein! Der politische Bezug wird bei „Calling Europe!“ nur über Wirths Song-Erläuterungen während des Konzertes hergestellt.

Nehmen wir als Beispiel „Solitude“. Eine schöne melancholische Melodie durchzieht das Stück. Wirth spricht einleitend vom Gefühl des Ausgeschlossen-Seins als Pro-Europäer in der gegenwärtigen Situation. Was er nicht sagt (aber sicherlich genau weiß) und was ganz andere Interpretationsräume schafft, das sind die Jazzkontexte. Nämlich Billie Holidays gleichnamiges Album und die gleichnamige Komposition Duke Ellingtons.

Eine zutiefst melancholische Stimmung prägt das Stück. Jaap Berends kreiert mit seinem Gitarrenspiel unter Verwendung von Hall-, Echo- und Delay-Effekten weite Räume. Stephan-Max Wirth durchbricht das dann mit rasanten Sopran-Saxofon-Läufen. So unterschiedliche Gefühlswelten andeutend. Aber – es könnte, völlig losgelöst von Europa, einfach nur das Gefühl der Einsamkeit in seinen Nuancen ausdrücken.

Das ist wohl gerade die Stärke dieser Musik: offen zu sein für verschiedenste Interpretationen, nicht zu indoktrinieren, kein Agit-Prop. Dafür herzerwärmend-melodische und zugleich witzige Kompositionen wie „Canon“. Ein echter Kanon, der in seiner durchaus vertrackten Abfolge schön zu verfolgen war. Aber eben auch als Abbild der verschiedenen, letztlich doch zusammen gehörenden Stimmen Europas verstanden werden konnte.

Highlight des Abends war zweifellos „Zoom“, das die Band in Topform zeigte. Hochgeschwindigkeits-Unisono-Passagen von Gitarre und Saxofon gingen über in wahrlich
rasante Dialoge zwischen verzerrter Wah-Wah-Gitarre und einem unglaublich speedigen Bub Boelens am Bass. Und das ging auch so zwischen Gitarre und Florian Hoefnagels am Schlagzeug, der ohnehin mit der stark rhythmisch orientierten Musik oft im Zentrum des Geschehens stand.

Ein ausverkauftes Haus mit einem begeisterten Publikum, auch wenn es des Öfteren kräftig zur Sache ging.

Klaus Gohlke

Stephan-Max Wirth “Experience” Quartett

Stephan-Max Wirth – Tenorsax, Sopranosax
Jaap Berends – Gitarre
Bub Boelens – Bass
Florian Hoefnagels – Schlagzeug

Stephan-Max Wirth„Calling Europe!“ heißt das neue Album des Berliner Saxophonisten Stephan-Max Wirth, das die Band bei ihrem Konzert im Februar vorstellen wird. Entstanden ist ein explosives musikalisches Gemisch, das ein Europa der Hindernisse, der Werte und des Wollens abbildet – eine optimistische und leidenschaftliche Hommage an Europa.

Die Stephan-Max Wirth Experience ist pure Spontaneität, verbunden mit langjähriger gemeinsamer Erfahrung. Dieses Quartett lässt trotz ausgeprägter Soli der Musiker nie das Gefühl des Zusammenseins vermissen. In intuitiv gefühlten, direkt umgesetzten demokratischen Entscheidungen entwickelt diese Band dadurch eine außerordentlich schlagkräftige Musik, die den Hörer auf einen Trip durch Europa mitnimmt. Die Reise überwindet Grenzen, erzählt von den großen, übergreifenden Problemen unserer Zeit, spricht aber auch jeden Einzelnen von uns an und fügt letztendlich alles wieder zu einem großen Ganzen zusammen.

Musikalisch gelingt das durch einfühlsame und einprägsame Melodien wie in den Balladen „Winter in Paris“ oder „Little Wonder“. Hart abgerechnet wird in „Zoom“, einer Fokussierung auf immer gleiche Verhaltensmuster und Strategien, die letztendlich nichts anderes als eine Sackgasse anstatt Lösungen anzubieten hat. Es hilft nichts, man muss an der Substanz kratzen, sonst gibt es keine Veränderungen. Also alles auf Anfang und dann: „Calling Europe!“

Mit seiner legendären holländischen Rhythmusgruppe, bestehend aus Jaap Berends (git), Bub Boelens (b) und Florian Hoefnagels (dr) ist Stephan-Max Wirth seit Jahren kontinuierlich auf Tour. Mit zahlreichen Konzerten und Einspielungen unter eigenem Namen hat sich diese Formation weit über die Grenzen Deutschlands hinweg durchgesetzt: Stationen waren dabei u.a. „Illumination”. Für dieses Album erhielt Stephan-Max Wirth den Berliner Förderpreis „Studioprojekt Jazz”. Das umfangreiche Bühnenprojekt „DADA Republic!” wurde auf dem Berliner Jazzfest uraufgeführt. Mit der CD „multiple pulse” wurde das SMWE für den „JAZZ-ECHO deutscher Musikpreis” in der Kategorie „Ensemble des Jahres international“ nominiert. Die CD „PASSION“ war u.a. CD der Woche beim NDR. Die letzte CD „The Inner Draft“ wurde von der Presse zur „audiophilen CD des Monats“ gekürt; ein zweistündiger Berliner Live-Mitschnitt wurde vom RBB ausgestrahlt.

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Eintritt: Abendkasse 20 € / 18 € (ermäßigt) / 10 € (SchülerInnen)

Mit freundlicher Unterstützung:
Öffentliche Versicherung Braunschweig
Kulturinstitut der Stadt Braunschweig

Jamsession im Quartier

Opener: Blueline

Eintritt: frei

Kritik zu “Eric Schaefer & The Shredz”

Irgendwo zwischen Lindenhof und Berghain

Eric Schaefer+The Shredz begeistern mit grenzüberschreitendem Jazz

Eine sehr ferne Musik wird eingespielt, eine Art meditativer Chorgesang. Nebengeräusche begleiten das Auf und Ab der Stimmen. Knacken, Rauschen, Drones. Mitunter ist es, als durcheilte man am Radio ein Kurzwellenband. Dann setzen die Musiker ein. Jeder für sich, eine zugespitzte Form des Free Jazz, sehr dissonant. Doch dann, zart zunächst, eine Art Tanzmelodie, die der Keyboarder immer deutlicher herausarbeitet. Bass, Schlagzeug und Trompete stimmen nach und nach widerstrebend ein. Um schließlich das Ganze in einem Bacchanal, einem wildesten Tanzfest, fortississimo versteht sich, abrupt enden zu lassen.

„Bliss“ heißt das Werk, der Zustand der Glückseligkeit.Ob sich dieser Zustand bei allen einstellte, sei dahin gestellt. Auf jeden Fall war diesemusikalische Utopie zutiefst beeindruckend und mitreißend. Wie man überhaupt mit diesem Konzert von Eric Schaefers Shredz einem höchst interessanten Versuch beiwohnen konnte, Jazz zeitgenössisch zu spielen. Das betrifft einmal die musikalischen Verbindungslinien. Da wurde Samuel Barbers „Adagio für Streicher“ eingeblendet, das von Volker Meitz mit Synthie-Modulationen verfremdet wurde, um dann von urplötzlich durch Eric Schaefer am Schlagzeug und Oliver Potratz am E-Bass in einen Dub-Reggae überführt zu werden.

Dahinein dann elegische, an Miles Davis erinnernde Trompetenklänge, die John-Dennis Renken mit geschickt eingesetztem Delay in weite Klangräume überführte.Des Weiteren Rückgriffe auf Franz Liszt „Proto-Atonalität“, Richard Wagners Lohengrin-Ouvertüre, David Oistrachs Konzerteinspielungen.

Das alles war – und das ist die andere starke Seite dieser zeitgenössischen Jazzmusik – nicht einfach wahllos zusammengesetzter Mischmasch. Die elektronischen Klangexperimente um die Jahrtausendwende, die 60er Jazz-Fusionphase, die Hip-Hop- und Trip-Hop- Entwicklung , der Krautrock und die Club-Kultur bilden den Interpretationsrahmen für den Umgang mit der Musikgeschichte. Ein packender Wechsel zwischen intimer Lindenhof – Jazzclubatmosphäre und Anklängen an den Berghain-Sound in Berlin.

Um das zu können, das wurde bei diesem Konzert überdeutlich, sind alle vier Musiker nicht nur absolute Könner an ihren jeweiligen Instrumenten, sondern gleichzeitig hochspezialisierte Elektroniker. Der Widerspruch von ehrlicher, handgemachter Musik und seelenloser Elektronik löst sich völlig auf. Die Elektronik schafft ungeahnte neue Ton-, Klang- und Soundwelten, die horizonterweiternd sind.

Jazz sei tot? Nun, solche Leichen wünscht man sich. Das Konzert war ausverkauft und es begeisterte.

Klaus Gohlke

Eric Schaefer & The Shredz

Eric Schaefer – dr
John-Dennis Renken – tr
Volker Meitz – keyb
John Eckhardt – b

Der Name ist Programm, denn das neue Album “Bliss”, das Eric Schaefer mit seinen drei Mannen vorstellen wird, verrät von Anfang an: The Shredz fetzen. Der texturreiche Sound mit seinen Delay-Schleifen, seinen Synthesizermodulationen und dem druckvollen Schlagzeug-Sound – überhöht durch tranceartige Anmutungen, Repetitionen, elegische Trompetenmelodien, quäkende Orgelsounds und druckvolle Bässe – verdichtet sich zu einem mitreißenden Klangkonstrukt.

Neben seinem Shredz-Projekt spielt der vielfach ausgezeichnete Komponist und Schlagzeuger Eric Schaefer seit Jahren u. a. mit dem Pianisten Michael Wollny, in verschiedenen Bands um Kalle Kalima, Arne Jansen und Joachim Kühn. Als neuer Schlagzeuger in Kühns New Trio hat Schaefer mit dem Album “Beauty and Truth” ein neues Ausrufezeichen gesetzt.

“Bliss” nimmt jedoch in ihrem Schaffen einen ganz besonderen Platz ein: Man wollte auf eine gemeinsame Reise gehen, eine Art Trance-Zustand anstreben. Diese Reise war dann voll von Überraschungen; ungeplante Ausflüge entpuppten sich als Höhepunkte, die Hingabe wurde mit formidablen Resultaten belohnt.

John-Dennis Renken ist Mitglied von Zodiak Trio, Ruhrecho, UFO, The Bliss, The Dorf, Beam, Stefan Schulze’s Large Ensemble. Außerdem hat er ein Trompeten-Solo-Projekt und arbeitet mit der WDR-Bigband u. a.

Volker Meitz ist Mitglied des Projekts Rhinow und des Sonar Kollektiv Orchesters und arbeitet mit Kalle Kalima, Lisa Bassenge, Clara Hill, Jazz Indeed und 4Hero zusammen. In der Vergangenheit spielte er auch mit Jazzanova, Astrid North, Chuck Loeb, Ed Motta, Groove Galaxi, Pat Appleton u. a. Weltweit publiziert wurde sein eigenes Projekt “Meitz”.

John Eckhardt ist Mitglied von Ensembles wie l’art pour l’art und Resonanz des Dresdner Ensembles für zeitgenössische Musik. Daneben hat er mehrere Soloprojekte als Kontra- und E-Bassist. Er arbeitete auch mit Pierre Boulez, Matthew Herbert, dem Ensemble Modern, Evan Parker, Sasha Waltz und Nils Wogram zusammen.

Karten:

Eintritt: Abendkasse 20 € / 18 € (ermäßigt) / 10 € (SchülerInnen)

Mit freundlicher Unterstützung:
GOD Gesellschaft für Organisation und Datenverarbeitung mbH
Kulturinstitut der Stadt Braunschweig